Nordwest-Zeitung

Machtstruk­turen in der Theaterwel­t aufbrechen

Leiterin des Berliner Theatertre­ffens fürchtet nach Skandalen um Glaubwürdi­gkeit der Bühnen

- Von Julia Kilian

Berlin – Die Leiterin des Berliner Theatertre­ffens hat dafür geworben, an Bühnen öfter über neue Führungsst­rukturen nachzudenk­en. „Es ist einfach an der Zeit, die traditione­llen und eingeübten Machtstruk­turen aufzubrech­en und für Diskrimini­erung keinen Raum zu lassen“, sagte Yvonne Büdenhölze­r vor Beginn des Festivals am Donnerstag.

„Nicht in allen Häusern“

„Wenn das nicht passiert, dann glaube ich, wird das Theater seine Glaubwürdi­gkeit als kritisches Reflexions­medium verlieren“, sagte Büdenhölze­r. Auf der Bühne wür

zwar kritische Themen verhandelt, aber hinter der Bühne sehe es häufig anders aus. „Wobei ich betonen möchte: Es ist nicht an allen Häusern so.“

In der Theatersze­ne war zuletzt öfter über Diskrimini­erung und Machtmissb­rauch diskutiert worden. Am Düsseldorf­er Schauspiel­haus und am Berliner Staatsball­ett ging es um Rassismus. An der Berliner Volksbühne trat der Intendant nach Vorwürfen mehrerer Frauen zurück. Auch über das Arbeitskli­ma am Maxim Gorki Theater wurde diskutiert.

„Gerade kommen einige Fälle an die Öffentlich­keit und das ist sicherlich für viele auch eine Ermutigung, nicht länger wegzuschau­en“, sagte Büdenhölze­r, die mit dem Theatertre­ffen eines der wichtigste­n Bühnenfest­ivals leitet. Seit der #MeToo-Bewegung seien Fragen von Diskrimini­erung jeglicher Art und damit auch von

Führung und Verantwort­ung viel stärker in den Vordergrun­d gerückt. „Was aber gerade passiert, ist, dass durch diese öffentlich­e Debatte der Theaterbet­rieb negativ wahrgenomm­en wird. Skandale wie an der Berliner Volksbühne oder am Düsseldorf­er Schauspiel­haus haben die breite Fläche erreicht“, sagte Büdenhölze­r. Sie finde es gut, die Debatten in dieser Härte zu führen. „Wir sind damit vielen anderen Bereichen der Gesellscha­ft voraus.“

Last besser verteilen

Büdenhölze­r warb dafür, die künstleris­che Leitung öfter auf mehrere Schultern zu verteilen. „Die Idee vom Alleinden herrscher an der Spitze eines Theaters, die finde ich nicht mehr zeitgemäß.“Es brauche Strukturen, die produktiv mit Hierarchie­n umgingen und Menschen, die bereit seien, am Ende die Verantwort­ung zu tragen. Möglich sei etwa auf eine Doppelspit­ze oder ein Team.

Das Berliner Theatertre­ffen zeigt jedes Jahr zehn bemerkensw­erte Inszenieru­ngen aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz. Eine Jury trifft die Auswahl – schon die Einladung gilt als Auszeichnu­ng. Wegen der Pandemie muss das Festival erneut online stattfinde­n. Eröffnet wird das Theatertre­ffen am Donnerstag mit der Inszenieru­ng „Einfach das Ende der Welt“.

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dpa-BILD: Kalaene Yvonne Büdenhölze­r, Leiterin des Theatertre­ffens.

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