Machtstrukturen in der Theaterwelt aufbrechen
Leiterin des Berliner Theatertreffens fürchtet nach Skandalen um Glaubwürdigkeit der Bühnen
Berlin – Die Leiterin des Berliner Theatertreffens hat dafür geworben, an Bühnen öfter über neue Führungsstrukturen nachzudenken. „Es ist einfach an der Zeit, die traditionellen und eingeübten Machtstrukturen aufzubrechen und für Diskriminierung keinen Raum zu lassen“, sagte Yvonne Büdenhölzer vor Beginn des Festivals am Donnerstag.
„Nicht in allen Häusern“
„Wenn das nicht passiert, dann glaube ich, wird das Theater seine Glaubwürdigkeit als kritisches Reflexionsmedium verlieren“, sagte Büdenhölzer. Auf der Bühne wür
zwar kritische Themen verhandelt, aber hinter der Bühne sehe es häufig anders aus. „Wobei ich betonen möchte: Es ist nicht an allen Häusern so.“
In der Theaterszene war zuletzt öfter über Diskriminierung und Machtmissbrauch diskutiert worden. Am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Berliner Staatsballett ging es um Rassismus. An der Berliner Volksbühne trat der Intendant nach Vorwürfen mehrerer Frauen zurück. Auch über das Arbeitsklima am Maxim Gorki Theater wurde diskutiert.
„Gerade kommen einige Fälle an die Öffentlichkeit und das ist sicherlich für viele auch eine Ermutigung, nicht länger wegzuschauen“, sagte Büdenhölzer, die mit dem Theatertreffen eines der wichtigsten Bühnenfestivals leitet. Seit der #MeToo-Bewegung seien Fragen von Diskriminierung jeglicher Art und damit auch von
Führung und Verantwortung viel stärker in den Vordergrund gerückt. „Was aber gerade passiert, ist, dass durch diese öffentliche Debatte der Theaterbetrieb negativ wahrgenommen wird. Skandale wie an der Berliner Volksbühne oder am Düsseldorfer Schauspielhaus haben die breite Fläche erreicht“, sagte Büdenhölzer. Sie finde es gut, die Debatten in dieser Härte zu führen. „Wir sind damit vielen anderen Bereichen der Gesellschaft voraus.“
Last besser verteilen
Büdenhölzer warb dafür, die künstlerische Leitung öfter auf mehrere Schultern zu verteilen. „Die Idee vom Alleinden herrscher an der Spitze eines Theaters, die finde ich nicht mehr zeitgemäß.“Es brauche Strukturen, die produktiv mit Hierarchien umgingen und Menschen, die bereit seien, am Ende die Verantwortung zu tragen. Möglich sei etwa auf eine Doppelspitze oder ein Team.
Das Berliner Theatertreffen zeigt jedes Jahr zehn bemerkenswerte Inszenierungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Eine Jury trifft die Auswahl – schon die Einladung gilt als Auszeichnung. Wegen der Pandemie muss das Festival erneut online stattfinden. Eröffnet wird das Theatertreffen am Donnerstag mit der Inszenierung „Einfach das Ende der Welt“.