Große Enttäuschung auf dem Westbalkan
Brüssel nennt keinen Zeitplan für Beitritt – Aber Mitgliedschaft soll kommen
Brüssel – An Symbolpolitik mangelte es keineswegs. Vor dem EU-Gipfeltreffen am Mittwoch in Slowenien tourte Ursula von der Leyen bereits durch jene sechs Westbalkanstaaten, die mit mehr oder weniger festen Aussichten auf der Liste der EU-Beitrittskandidaten stehen: Montenegro, Serbien, Albanien, Nordmazedonien, Kosovo und BosnienHerzegowina. Die Kommissionspräsidentin verbreitete mit blumigen Worten Zuversicht und weihte etwa eine von der EU finanzierte neue Brücke in Bosnien-Herzegowina ein. Lächeln, winken, Zweifel zerstreuen.
Frust und Ungeduld
Doch von der Leyen spürte den Frust bei vielen Menschen wie auch die Ungeduld angesichts der Hinhaltetaktik der EU. Diese Strategie sollte sich auch mit dem Gipfel in Slowenien kaum ändern – trotz der schönen Fotos und des klaren Bekenntnisses vonseiten der Gemeinschaft zur Integration der strategisch wichtigen Region in die EU. Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs zum ersten Mal seit Langem wieder ihr Bekenntnis zur Osterweiterung bestätigten, wurden die Hoffnungen der Kandidaten auf eine klare zeitliche Perspektive für einen Beitritt enttäuscht. „Ich halte nichts von so einer Deadline, die zum Schluss uns unter Druck setzt“, sagte Merkel.
Deutschland gehört zum Kreis jener Mitglieder, die sich für eine glaubwürdige Beitrittsperspektive einsetzen. Doch alles steht und fällt mit den Reformprozessen vor Ort – und diese gestalten sich schleppend. So verweisen Kritiker
auf die anhaltenden Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit, der Medienfreiheit und der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Korruption.
Derweil versuchte von der Leyen, die unter den Beitrittsaspiranten düstere Stimmung aufzuhellen. Der westliche Balkan sei Teil desselben Europas wie die EU. „Wir teilen dieselbe Geschichte, wir teilen die dieselben Interessen, dieselben Werte“, so die Kommissionschefin. Als Ansporn für weitere Reformanstrengungen gelten auch die finanziellen Zusagen. Über einen Wirtschaftsund Investitionsplan sollen allein in diesem Jahr rund 1,1 Milliarden Euro an EUMitteln an die sechs Länder fließen.
Befriedigend war der Gipfel für die Beitrittsaspiranten trotz der finanziellen Hilfen
nicht. Sie bestehen darauf, dass die Union ihre Versprechen einhält. Nordmazedonien etwa wechselte sogar seinen Landesnamen.
Harter Weg in die EU
Die Balkanländer stehen vor einem weiten Weg, den Blockierer wie Frankreich, Dänemark oder die Niederlande noch steiniger gestalten dürften. Zum einen bremsen diese die Gespräche aus Angst vor Populisten zu Hause. Zum anderen befürchten sie, dass eine größere EU handlungsunfähig werden könnte. Der französische Präsident Emmanuel Macron konnte zufrieden abreisen. Auf seinen Wunsch wurde der Abschlusserklärung eine Einschränkung hinzugefügt. Ein neuer EU-Beitritt setzt nun eine Weiterentwicklung der EU selbst voraus.