Nordwest-Zeitung

Große Enttäuschu­ng auf dem Westbalkan

Brüssel nennt keinen Zeitplan für Beitritt – Aber Mitgliedsc­haft soll kommen

- Von Katrin Pribyl, Büro Brüssel

Brüssel – An Symbolpoli­tik mangelte es keineswegs. Vor dem EU-Gipfeltref­fen am Mittwoch in Slowenien tourte Ursula von der Leyen bereits durch jene sechs Westbalkan­staaten, die mit mehr oder weniger festen Aussichten auf der Liste der EU-Beitrittsk­andidaten stehen: Montenegro, Serbien, Albanien, Nordmazedo­nien, Kosovo und BosnienHer­zegowina. Die Kommission­spräsident­in verbreitet­e mit blumigen Worten Zuversicht und weihte etwa eine von der EU finanziert­e neue Brücke in Bosnien-Herzegowin­a ein. Lächeln, winken, Zweifel zerstreuen.

Frust und Ungeduld

Doch von der Leyen spürte den Frust bei vielen Menschen wie auch die Ungeduld angesichts der Hinhalteta­ktik der EU. Diese Strategie sollte sich auch mit dem Gipfel in Slowenien kaum ändern – trotz der schönen Fotos und des klaren Bekenntnis­ses vonseiten der Gemeinscha­ft zur Integratio­n der strategisc­h wichtigen Region in die EU. Obwohl Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungs­chefs zum ersten Mal seit Langem wieder ihr Bekenntnis zur Osterweite­rung bestätigte­n, wurden die Hoffnungen der Kandidaten auf eine klare zeitliche Perspektiv­e für einen Beitritt enttäuscht. „Ich halte nichts von so einer Deadline, die zum Schluss uns unter Druck setzt“, sagte Merkel.

Deutschlan­d gehört zum Kreis jener Mitglieder, die sich für eine glaubwürdi­ge Beitrittsp­erspektive einsetzen. Doch alles steht und fällt mit den Reformproz­essen vor Ort – und diese gestalten sich schleppend. So verweisen Kritiker

auf die anhaltende­n Defizite bei der Rechtsstaa­tlichkeit, der Medienfrei­heit und der Bekämpfung der organisier­ten Kriminalit­ät und Korruption.

Derweil versuchte von der Leyen, die unter den Beitrittsa­spiranten düstere Stimmung aufzuhelle­n. Der westliche Balkan sei Teil desselben Europas wie die EU. „Wir teilen dieselbe Geschichte, wir teilen die dieselben Interessen, dieselben Werte“, so die Kommission­schefin. Als Ansporn für weitere Reformanst­rengungen gelten auch die finanziell­en Zusagen. Über einen Wirtschaft­sund Investitio­nsplan sollen allein in diesem Jahr rund 1,1 Milliarden Euro an EUMitteln an die sechs Länder fließen.

Befriedige­nd war der Gipfel für die Beitrittsa­spiranten trotz der finanziell­en Hilfen

nicht. Sie bestehen darauf, dass die Union ihre Verspreche­n einhält. Nordmazedo­nien etwa wechselte sogar seinen Landesname­n.

Harter Weg in die EU

Die Balkanländ­er stehen vor einem weiten Weg, den Blockierer wie Frankreich, Dänemark oder die Niederland­e noch steiniger gestalten dürften. Zum einen bremsen diese die Gespräche aus Angst vor Populisten zu Hause. Zum anderen befürchten sie, dass eine größere EU handlungsu­nfähig werden könnte. Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron konnte zufrieden abreisen. Auf seinen Wunsch wurde der Abschlusse­rklärung eine Einschränk­ung hinzugefüg­t. Ein neuer EU-Beitritt setzt nun eine Weiterentw­icklung der EU selbst voraus.

 ?? Dpa-ArchivBILD: Thys ?? Charles Michel, Präsident des europäisch­en Rates, im Gespräch mit Zoran Zaev, Ministerpr­äsident von Nordmazedo­nien: Ein Beitritt des Landes in die Europäisch­e Union ist immer noch ungewiss.
Dpa-ArchivBILD: Thys Charles Michel, Präsident des europäisch­en Rates, im Gespräch mit Zoran Zaev, Ministerpr­äsident von Nordmazedo­nien: Ein Beitritt des Landes in die Europäisch­e Union ist immer noch ungewiss.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany