Grüne geben Takt vor
Die Entscheidung von Grünen und FDP ist gefallen: Beide Parteien wollen jetzt mit der SPD über die nächste Regierungskoalition sprechen. Dass die Grünen-Chefs noch während der FDP-Gremiensitzung am Mittwochmorgen vor die Presse gingen und die Ampelgespräche ankündigten, war eine klare Machtdemonstration. Die FDP geriet damit unter Zugzwang. Gut eineinhalb Stunden später verkündete auch der FDP-Vorsitzende, man werde nun mit SPD und Grünen Dreier-Sondierungen beginnen. Auch wenn diese Inszenierung offenbar zwischen Grünen und FDP abgesprochen war: Es entstand doch der Eindruck, dass die nach außen demonstrierte Annäherung der vergangenen Tage zwischen Gelb und Grün auch trügen kann. FDP und Grüne bleiben zwei grundlegend unterschiedliche Parteien mit großen ideologischen Unterschieden.
Ein grobes Foul der Grünen war ihr Vorpreschen nicht, aber doch der Versuch, der FDP zu zeigen, wer von beiden kleineren Parteien der Stärkere ist und den Takt vorgibt. Immerhin überließen es die Grünen dem FDP-Chef, zu verkünden, dass er schon mit SPDKanzlerkandidat Scholz telefoniert habe: Alle drei Parteien würden sich bereits an diesem Donnerstag zu einer ersten Gesprächsrunde treffen.
Die Option Jamaika lassen sich Grüne und FDP freilich weiter offen. Alles andere wäre töricht. Obgleich sie zur SPD die größte inhaltliche Nähe fühlen, wollen sich auch die Grünen der SPD nicht ausliefern. Für die FDP, deren Herz eher für Jamaika geschlagen hätte, gilt dies in noch größerem Maße. Lindner muss in den kommenden Wochen akribisch darauf achten, dass er seine Wähler und Unterstützer in der eigenen Partei nicht verprellt. Gelingt das Experiment, könnte Lindner Stimme der Bürgerlichen und des Mittelstands sein.
Der Wahlsieg der SPD, der beklagenswerte Zustand der Union und das Drängen der Grünen ließen den Liberalen keine andere Wahl, als die ersten Weichen Richtung Ampel zu stellen. Alles andere wäre überraschend gewesen und hätte wohl eine politische Krise ausgelöst. Die Union hat den Liberalen die Entscheidung durch die jüngsten Durchstechereien an die Presse über Inhalte ihrer bilateralen Gespräche erleichtert.
Parallele Dreier-Gespräche mit der SPD und der Union schließen Grüne und FDP aus, und das ist auch gut so. Ein solcher, noch größerer Machtpoker würde die Gespräche erschweren, behindern und verlangsamen. Und eine Hängepartie ist wirklich nicht im Interesse des Landes. Dass der Ampel-Zug jetzt noch aufgehalten werden könnte, erscheint unwahrscheinlich.
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