Nordwest-Zeitung

Der jüngste Waisenhaus­gründer der Welt

Paruar Bako aus Oldenburg wollte gegen den IS kämpfen und half dann Kindern im Nordirak

- Von Friederike Liebscher

Oldenburg – Aufgewachs­en in Oldenburg, mit 19 Jahren mitten ins Kriegsgebi­et in den Irak geflogen, mit nur 21 Jahren ein Waisenhaus eröffnet: das Leben von Paruar Bako (28) ist alles, aber nicht alltäglich. Als der IS 2014 den Norden des Irak überfiel, änderte sich für den damaligen Studenten sein Schicksal.

Der Sohn jesidische­r Eltern weiß noch genau, wie er im Fernsehen die Bilder von den Vertrieben­en aus dem Shingal-Gebirge sah, die damals um die ganze Welt gingen. In Gebiet der autonomen Region Kurdistan entstanden große Flüchtling­slager. „Mein ganzer Blickwinke­l hat sich damals geändert. Mein Vater ist sofort ins Kriegsgebi­et geflogen, um zu kämpfen. Er hatte schon seine erste Familie im Krieg verloren“, erzählt Paruar Bako, der über seine Erfahrunge­n in den letzten zehn Jahren ein Buch geschriebe­n hat. Er selbst ist in Deutschlan­d geboren. „Ich hatte das Glück, hier aufzuwachs­en“, erzählt er. Als der IS angriff war er Student in Osnabrück. „Auf einmal war alles ganz nah. Meine Familie stammt aus Khanke. Ohne jemandem etwas zu sagen bin ich hingefloge­n, um auch zu kämpfen. Es war wie eine Reise zu mir selbst“, erinnert sich der 28-Jährige. „Ich habe meine Bestimmung gefunden.“

Waisenmädc­hen

Die lag allerdings dann doch nicht im Kampf: Paruar Bako sah in Khanke ein fünfjährig­es Mädchen an der Straße stehen. Sie wird er nie vergessen. „Beide Eltern waren getötet worden. Niemand hat sich um das Kind gekümmert. Es gab einfach keine Strukturen dafür.“In diesem Moment fand der Student seine Aufgabe: er würde versuchen, zu helfen. Mit Hilfe von Freunden gründete er den Verein „Our Bridge“. „Wir haben der Öffentlich­keit über Social-Media-Kanäle gezeigt, was gerade im Kriegsgebi­et passiert. Zunächst haben wir Paten für die 77 Kinder gesucht, die wir vor Ort bereits registrier­t hatten.“

Paruar Bako flog in dieser Zeit zwischen Deutschlan­d und Khanke hin und her, um alle Formalität­en zu organisier­en. Schnell kam die Idee auf, ein Waisenhaus zu gründen. „Einige Künstler, zum Beispiel der Rapper Xatar oder Max Herre, unterstütz­ten den Verein mit einem Benefizkon­zert“, erzählt Paruar Bako. Das Gebäude, in dem das Waisenhaus und die Schule heute sind, fand er über einen Familienan­gehörigen. In seinem Buch wird deutlich, wie schwierig es war, mit den lokalen Behörden zusammenzu­arbeiten. Dass das Waisenhaus „Harman“(Das, was bleibt) im Jahr 2017 öffnen konnte, liegt allein an der Beharrlich­keit, mit der der Student und seine Vereinskol­legen ihr Ziel verfolgten.

Baerbock zu Gast

Als die ersten Kinder einzogen, atmete er auf. Heute sind auf dem Gelände auch eine Schule und ein Kindergart­en untergebra­cht, Grünen-Vorsitzend­e Annalena Baerbock war zu Besuch und weitere Bildungsei­nrichtunge­n sind geplant. Bako hat die Leitung des Bildungsze­ntrums abgegeben, setzt sich aber immer noch für das Projekt ein. Er möchte seine Energie in den nächsten Jahren in Demokratie­prozesse investiere­n. Auch in dieser Woche ist er nach Khanke unterwegs. Eines ist ihm wichtig: „Wir haben eine unglaubli

 ?? ?? Paruar Bako gründete mit dem Verein „Our Bridge“ein Waisenhaus im Nordirak. Der 28-Jährige lebt in Oldenburg und Khanke.
Paruar Bako gründete mit dem Verein „Our Bridge“ein Waisenhaus im Nordirak. Der 28-Jährige lebt in Oldenburg und Khanke.
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Das Waisenhaus mit Schule und Kindergart­en liegt in Khanke am Fluss Tigris in der autonomen Region Kurdistan.
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BILDer (3): Our Bridge Die Grünen-Vorsitzend­e Annalena Baerbock besuchte das Waisenhaus in Khanke im Jahr 2019.

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