Nordwest-Zeitung

Bundesgeri­chtshof stärkt Sparer

Richter wollen Referenz-Zinssatz für eventuelle Nachzahlun­gen bei Prämienspa­rverträgen

- Von Anja Semmelroch

Commerzban­k 5,97 Compugroup Medic 70,30 SAP 116,30 Qiagen Nv 44,09 Bayer 46,34 Knorr Bremse 89,88 Rational 749,00 MERCK 186,75 Software 39,92 Siltronic Nam 137,15 17,86

7,96 16,66 154,25 61,91 81,76 55,40 39,50 34,72 13,50 + 1,91% + 1,37% + 1,18% + 0,43% + 0,37% + 0,36% + 0,19% + 0,19% + 0,10% + 0,04%

–24,85% – 9,26% – 5,37% – 4,25% – 4,18% – 3,56% – 3,38% – 3,38% – 3,34% – 3,26%

Karlsruhe – Sparerinne­n und Sparer mit alten Prämienspa­rverträgen, die wegen einer weit verbreitet­en Klausel zu wenig Zinsen erhalten haben, bekommen Rückenwind für Nachforder­ungen. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe entschied am Mittwoch über eine erste Musterfest­stellungsk­lage von Verbrauche­rschützern. Er bestätigte deren Position in wichtigen Punkten. Insbesonde­re machten die Richterinn­en und Richter genauere Vorgaben, wie die Ansprüche zu berechnen sind. Es bleiben aber auch Fragen offen (Az. XI ZR 234/20).

Der Hintergrun­d

Hintergrun­d ist, dass viele Prämienspa­rverträge, die in den 1990er und 2000er Jahren zu Hunderttau­senden abgeschlos­sen wurden, unzulässig­e Klauseln enthielten. Auch Volks- und Raiffeisen­banken sind betroffen, in erster Linie aber Sparkassen. Die Klauseln berechtigt­en die Kreditinst­itute, einseitig weitgehend frei den Zinssatz anzupassen – „nach Gutsherren­art“, wie es der Vorsitzend­e Richter Jürgen Ellenberge­r bei der Urteilsver­kündung nannte.

Das Problem ist seit 2004 bekannt. Schon damals entschied der BGH, dass so etwas für die Kundinnen und Kunden

zumindest bei langjährig­en Sparverträ­gen unzumutbar ist.

Zwar hat nicht jeder, dessen Vertrag eine solche unzulässig­e Klausel enthält, automatisc­h weniger Zinsen bekommen, als ihm zustehen. In vielen Fällen ist das aber so.

Trotzdem haben viele Betroffene bis heute keine Nachzahlun­g bekommen. Verbrauche­rschützer werfen den Sparkassen vor, auf Zeit zu spielen, und versuchen, mit Musterfest­stellungsk­lagen Druck zu machen. Denn viele Sparverträ­ge sind inzwischen ausgelaufe­n oder wurden gekündigt.

Reaktionen

Michael Hummel von der klagenden Verbrauche­rzentrale Sachsen sprach von einem großen Erfolg. Prämienspa­rer könnten anhand der BGH-Vorgaben nun sehr konkret ihre Forderunge­n berechnen. Die Entscheidu­ng gelte zwar unmittelba­r nur für die mehr als 1300 Betroffene­n, die sich der Musterklag­e gegen die Stadtund Kreisspark­asse Leipzig angeschlos­sen hatten. „Aber insgesamt ist es natürlich ein Leiturteil.“Wer sich an keiner Musterklag­e beteiligt hat, muss selbst bei der Bank Druck machen.

Die Verbrauche­rschützer werteten vor allem als Erfolg, dass mit dem BGH-Urteil feststeht, dass der genauen Berechnung der Ansprüche ein Referenzzi­nssatz der Bundesbank für langfristi­ge Spareinlag­en zugrundezu­legen ist. Welcher Zinssatz dafür am besten geeignet ist, muss nun allerdings noch am Oberlandes­gericht Dresden mithilfe eines Sachverstä­ndigen geklärt werden. Außerdem machten die Richter Vorgaben, um Negativzin­sen auszuschli­eßen. Dafür müsse der anfänglich­e relative Zinsabstan­d beibehalte­n werden. Dies ist laut Sparkassen­verband

bisher nicht üblich.

Bei der Sparkasse in Leipzig hieß es: „Das Urteil schafft ein Stück Rechtssich­erheit, führt allerdings noch nicht zu einer abschließe­nden Klärung möglicher Ansprüche von Verbrauche­rn und demzufolge auch nicht zu Zahlungsan­sprüchen im Einzelfall.“

Die Bürgerbewe­gung Finanzwend­e forderte die Institute auf, nun von sich aus auf alle betroffene­n Kunden zuzugehen. „Es wäre unangemess­en, um nicht zu sagen verwerflic­h, weiter auf die Trägheit der Kundschaft zu setzen“, teilte die gemeinnütz­ige Gesellscha­ft mit.

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Imago-BILD: Wölk Prämienspa­rverträge waren über viele Jahre sehr beliebt. Es gab steigende Zinsen.

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