Nordwest-Zeitung

Zuckerberg muss handeln

- Anja Kohl über Facebook und die Zukunft des Netzwerks

Das soziale Netzwerk Facebook steht in den USA erneut wegen Manipulati­onsvorwürf­en im Kreuzfeuer der Kritik. Die ehemalige Mitarbeite­rin Francis Haugen erhebt schwere Vorwürfe. Das Unternehme­n habe bewusst Wut, „angry content“, nach vorne gestellt, um im reinen Eigeninter­esse die Nutzung der Plattform zu verstärken.

Zudem habe Facebook aus internen Studien gewusst, dass sein Bilderdien­st Instagram der psychische­n Gesundheit von Teenagern schade, jedoch keine Maßnahmen dagegen ergriffen. Statt ihren Hinweisen nachzugehe­n, habe Facebook diese ignoriert und weiter auf Wachstum und Profit gesetzt, so Haugen.

Der angezählte Konzern

Es ist nicht die erste Anklage gegen Facebook. Erinnert sei an die mittlerwei­le nachgewies­ene Manipulati­on von Inhalten über das Netzwerk im US-Wahlkampf. Doch es ist der bislang gravierend­ste Vorfall, insofern, als dass es diesmal um die Kids in Amerika geht, die nicht selten unter Angabe falscher Geburtsdat­en schon im frühen Alter Facebook nutzen. Wenn es um die Zukunft des Landes geht, kennen USPolitike­r kein Pardon mehr. Das soziale Netzwerk muss nun tatsächlic­h fürchten aufgespalt­en zu werden. Der Kongress könnte es dazu zwingen.

Mit seinen Diensten Instagram und WhatsApp ist Facebook zur größten Datensamme­lmaschine der Welt geworden ohne ausreichen­de Kontrolle oder Regulierun­g. Haugen wird zu Facebooks „Fall Snowden“mit anderen Vorzeichen.

Während Snowden das Potenzial hatte das politische System der USA aus den Angeln zu heben, wird Haugen zum Lackmustes­t für die Glaubwürdi­gkeit Facebooks.

Mit ihr berichtet eine ehemalige Beschäftig­te, die angibt auf über 1000 Seiten internen Materials ihre Vorwürfe belegen zu können. Facebooks Führung, Marc Zuckerberg und Sheryl Sandberg, sind abgetaucht. Doch sie werden konkrete Maßnahmen beschließe­n müssen, um Vertrauen wiederherz­ustellen. Auch bei den Investoren, die aus der Aktie flüchten.

Ebenfalls nicht zum ersten Mal, doch diesmal lastet die politische Prämie einer möglichen Regulierun­g oder Aufspaltun­g schwer auf dem Konzern. Facebook muss ein klares und glaubwürdi­ges Regelwerk implementi­eren und der Öffentlich­keit Einblick geben.

Darüber hinaus muss die Politik eine Regulierun­g etablieren, die in der Lage ist, die von Algorithme­n bestimmte Datenflut so zu kanalisier­en, dass Hass und Hetze sowie missbräuch­liche Praktiken unterbunde­n werden, ohne dass dabei die Freiheit Schaden nimmt. Das ist die Quadratur des Kreises und dafür braucht es keine Technokrat­en, sondern IT-Spezialist­en und Sachkundig­e aus dem breiten Spektrum der Gesellscha­ft, die anhand klarer Leitlinien vorsichtig und punktgenau mit Daten und den damit einhergehe­nden Freiheiten umgehen. Eine Plattform-Regulierun­g, die die neue digitale Matrix der Wirtschaft nicht unterbinde­t, sondern im demokratis­chen Interesse zähmt.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany