Nordwest-Zeitung

Fahrradfah­ren geht auch ohne Augenlicht

Oldenburge­r setzt nach Erblindung auf Parallel-Tandem – Lob für andere Verkehrste­ilnehmer

- Von Patrick Buck

Oldenburg – Wenn Hans-Joachim und Monika Seweron Fahrrad fahren, dann fallen sie auf. Denn statt jeweils auf zwei Rädern unterwegs zu sein, teilen sie sich gemeinsam drei Räder: Sie sitzen nebeneinan­der auf einem sogenannte­n Parallel-Tandem. Sie lenkt, er fährt mit. Andersheru­m wäre es ungünstig, denn Hans-Joachim Seweron ist weitgehend blind.

Im Juni vergangene­n Jahres wachte der 72-Jährige nach einer Operation fast ohne Sehvermöge­n auf. Die Ursache ist nicht wirklich geklärt, der Fall noch nicht endgültig aufgearbei­tet.

Der Schock war natürlich groß. Von jetzt auf gleich änderte sich das Leben der Sewerons komplett. Es brauchte Monate, bis das Ehepaar nicht nur seinen Alltag neu geordnet hatte (mit viel Hilfe von Freunden und Familie sowie des Blindenver­eins), sondern auch das seelische Gleichgewi­cht wiederfand. Vorher übliche Ablenkunge­n waren nicht mehr möglich. „Ich war seit dem Vorfall nicht mehr in meiner Werkstatt im Keller“, sagt der handwerkbe­geisterte 72-Jährige.

Touren gemeinsam auf einem Parallel-Tandem durch die Region: Hans-Joachim Seweron, der sein Augenlicht weitgehend verloren hat, und seine Frau Monika Seweron.

Zurück aufs Rad

Da half es, dass das Ehepaar den Weg zurück auf die Radwege und Straßen fand. Vor der OP waren die Oldenburge­r regelmäßig mit ihren E-Bikes unterwegs, auf Tour mit Freunden oder im Fahrradurl­aub

in den Niederland­en. In diese Richtung wollten sie zurück – und kamen auf die Idee, Tandem zu fahren.

Das klassische Tandem, bei dem die beiden Fahrer hintereina­nder sitzen, kam allerdings nicht infrage. „Das konnte ich nicht fahren“, stellte

die 73-jährige Monika Seweron bei einem Test fest. Bei einem Fachhändle­r in Bremen fanden sie dann das E-Dreirad mit den beiden Sitzen nebeneinan­der.

Hans-Joachim Seweron war von der Idee grundsätzl­ich sofort überzeugt, war aber skepwww.nordwest-shop.de tisch ob der Umsetzung. „Ich dachte, dass die Ausmaße des Rads uns Probleme machen.“Schließlic­h ist das Gefährt rund 1,10 Meter breit.

Tatsächlic­h ist das Ehepaar bis auf ganz wenige Ausnahmen aber überall durchgekom­men – wenn auch manchmal sehr knapp. Was eher Schwierigk­eiten macht, ist der Zustand vieler Radwege. „An der Alexanders­traße fahren wir schon gar nicht mehr entlang“, sagt Monika Seweron. Und negativ aufgefalle­n ist den Oldenburge­rin zudem die seitliche Neigung vieler Routen. Auf drei Rädern lässt sich das nicht ausgleiche­n. Dasselbe Problem haben Rollstuhlf­ahrer oder Menschen mit Rollator.

Daumen hoch

Daher weicht das Ehepaar häufig auf die Straße aus – und ist angenehm überrascht von den positiven Reaktionen der anderen Verkehrste­ilnehmer. Kein Hupen. Kein Schimpfen. Stattdesse­n beweisen Auto-, Bus- und Lkw-Fahrer Geduld, reagieren gar mit einem Winken oder dem Daumen nach oben, loben sie. Bei rund 2500 Kilometern, die sie seit Mai in Oldenburg, dem Ammerland

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BILD: Patrick Buck

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