Drei Jahre „ein einziger Kampf“
Wie eine Witwe aus Sandkrug die Bürokratie-Hürden nach dem Unfalltod ihres Mannes erlebt
Sandkrug – Manuela Schmitz steht in der Küche, als das Handy klingelt. „Siggi“steht im Display, das ist ihr Mann. Es ist Samstag, der 16. Juni 2018, die Fußball-Weltmeisterschaft läuft gerade und Manuela und Siegfried Schmitz haben für den Nachmittag Freunde eingeladen, gemeinsam will man das Spiel um 18 Uhr sehen – Peru gegen Dänemark. „Siggi“, wie alle den Sandkruger Heilpraktiker mit eigener Praxis nennen, ist am Morgen zu seiner „Hausrunde“mit dem Motorrad aufgebrochen. „Ich dachte, er hätte etwas vergessen“, beschreibt die 57-Jährige. Weit gefehlt.
Es ist 11 Uhr, als sich ein Ersthelfer meldet und ihr mitteilt, dass ihr Mann einen schlimmen Unfall hatte. In Ostrittrum (Landkreis Oldenburg) ist der 54-Jährige auf Höhe der Brücke über die Hunte frontal von einem Auto erfasst worden. Manuela Schmitz erleidet vor Schock einen Asthmaanfall. Nach einigen Stunden die traurige Gewissheit: Siegfried Schmitz verstirbt noch an der Unfallstelle.
■ Hindernisse
Für Manuela Schmitz steht die Welt still. Der Verlust ist nach 37 Jahren Partnerschaft nicht mit Worten zu beschreiben. Doch was die Witwe nach dem Tod ihres Mannes an bürokratischen Hürden überwinden muss, kann sie kaum fassen. „Es war ein einziger Kampf“, sagt sie. Denn es geht nicht nur darum, den Gerichtsprozess gegen den Unfallverursacher zu verfolgen, die Praxis weiterzuführen – sondern vor allem, bei der Kfz-Versicherung des Unfallverursachers die Unterhaltsforderungen durchzusetzen. Zwar sucht sie sich anwaltlichen Beistand – der aber legt nach zwei Monaten das Mandat nieder. Sie muss sich jemand Neues suchen, noch mal alles erzählen.
„Ich musste mich nackig machen“, sagt sie im übertragenen Sinne: „Alle meine Fixkosten auflisten, jede Kleinigkeit. Mehrere Seiten Fragebogen sind bei mir ins Haus getrudelt.“Steuerbescheide, betriebswirtschaftliche Auswertungen reicht sie ein.
■ Kontrolle
Ihr Grundstück in Sandkrug wird unangekündigt kontrolliert, „man wollte wissen, ob ich die Darlehen überhaupt für das Haus nutze“, klärt Schmitz auf und schüttelt mit dem Kopf. Für sie am unverständlichsten: „Die haben darauf herumgeritten, dass ich in dem Jahr nach dem Tod meines Mannes nicht Vollzeit gearbeitet habe. Die haben mit mir gefeilscht wie auf einem Basar, um jeden Euro. All das Geld bedeutet mir aber nichts, ich hätte so viel lieber meinen Mann zurück.“
Geld – ein Schlagwort, das Manuela Schmitz immer wieder ein Schauer den Rücken herunter jagt. „Viele haben mir Geld zur Beerdigung geschenkt. Ich konnte es nicht ertragen. Ich habe alles gespendet. 400 Leute waren auf der Beerdigung. Das ist mir mehr wert gewesen.“
■ Aktuelle Situation
Mehr als drei Jahre ist der Unfall nun her. Mit der Versicherung hat sich jüngst eine Einigung ergeben. „Ich habe nachgegeben, längst nicht so viel bekommen, wie mir zustehen würde. Aber mich haben die Kontakte so sehr belastet, dass ich jetzt ein gesondertes Konto eingerichtet habe. Ich will den Namen auf meinen Auszügen nicht mehr lesen.“
Ob sie zurechtkommt? „Ich musste mich selbst neu aufstellen. Den Alltag bewältige ich. Aber meine Seele ist auf der Strecke geblieben“, sagt sie und noch heute stehen ihr Tränen in den Augen, wenn sie die Bilderalben durchblättert. „Siggi und ich haben uns alles zusammen aufgebaut. Ohne ihn ist alles anders. Der Verlust tut noch jeden Tag weh. Aber ich versuche, nach vorn zu schauen.“