Nordwest-Zeitung

Ostfriesis­ches Wetter – vom Leben mit den Launen der Naturgewal­ten

-

Das Wetter spielt für mich beim Schreiben immer eine sehr wichtige Rolle. Ich bestimme für den Text die Umgebung immer erst ganz genau. Ist es warm oder kalt? Wonach riecht es? Von wo kommt der Wind? All das hat Einfluss auf das Verhalten von Menschen – also wirkt es sich auch auf literarisc­he Figuren aus.

Der Dichter F.C. Delius schrieb sogar eine Doktorarbe­it zum Thema: Der Held und sein Wetter. Wenn es an die Verfilmung meiner Romane geht, muss so mancher Regisseur einsehen, dass das Wetter in Ostfriesla­nd nicht ernsthaft vorhersagb­ar ist. Man lebt halt mit den Launen

Klaus-Peter Wolf, Bestseller­autor und Verfasser der berühmten Ostfriesla­ndkrimis, schreibt jede Woche für unsere Zeitung auf, was ihm als WahlOstfri­esen an Norddeutsc­hland so sehr gefällt.

der Naturgewal­ten. Manchmal – längst nicht immer – sind sie uns freundlich gesonnen.

Als junger Autor saß ich meinem Filmproduz­enten Günter Herbertz gegenüber. Mein Drehbuch gefiel ihm. Er wollte es gern verfilmen, aber bat mich, eine Stelle zu ändern. Bei der Beerdigung sollte es regnen. Bei mir war der

Himmel blau. „Warum?“, fragte ich. Er lächelte. „Der Himmel weint die Tränen für die Angehörige­n gleich mit. Alle werden nasse Gesichter haben. Regen und Wind kommen bei Beerdigung­en immer gut.“Natürlich setzte er in solchen Fällen gern eine Regenmasch­ine ein.

Wenn ich intensiv schreibe und mich ganz in meine Figuren versenke, kann es passieren, dass ich im Hochsommer bei 30 Grad im Strandkorb schreibe, aber friere, weil meine Geschichte auf dem Norder Weihnachts­markt im Dezember spielt. Dann wird die Kraft der literarisc­hen Phantasie größer als die mich umgebende Realität.

In meinen Romanen regnet es nur, wenn ich will. Im Leben ist das leider meist anders.

Wir haben zwei Terrassen. Eine geht nach Süden raus und eine nach Nordwesten. Klingt gut, führt aber in Ostfriesla­nd zu echten Verwechslu­ngen. Ich schrieb auf der Südterrass­e und Bettina komponiert­e auf der anderen. Jeder machte sein Ding und wir störten uns nicht. Um 15 Uhr wollten wir eine kleine Radtour zum Lütetsburg­er Schlosspar­k machen. Wir trafen uns im Hausflur bei der Tür. Sie mit Regenjacke und festen Schuhen ich im T-Shirt mit Sandalen.

„Ach,“lachte sie, „spielt die Szene, an der Du gerade schreibst, im Sommer auf Norderney?“Ich gucke aus dem Fenster. Im Nordwesten war der Himmel schwarz, voller Regenwolke­n. „Auf meiner Terrassens­eite scheint noch mild die Sonne, der Himmel ist blau“, erklärte ich. In dem Moment brach ein Platzregen los. „Sollen wir lieber zu Hause bleiben?“, fragte ich.

Bettina schüttelte den Kopf. „Wie sagt deine Kommissari­n so treffend? Bei uns ist immer schönes Wetter. Mal regnet es schön und mal scheint schön die Sonne. Und immer pfeift schön der Wind.“

Alle Kolumnen unter:

@ www.nwzonline.de/mein-ostfriesla­nd

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany