Grüne lassen Kanzler Kurz fallen
Was dem Regierungschef nun droht
In Österreich scheint der Riss zwischen den beiden Regierungsparteien unüberbrückbar. Die Grünen stellten am Freitag klar, dass eine Fortsetzung ihrer Koalition mit der konservativen ÖVP angesichts der schweren Korruptionsvorwürfe gegen Kanzler Sebastian Kurz nur ohne ihn möglich sei. „Es ist ganz klar, dass so jemand nicht mehr amtsfähig ist“, sagte die grüne Fraktionschefin Sigrid Maurer in Wien. Die ÖVP sei nun aufgefordert, eine „untadelige Person“zu nominieren, die die Regierung weiterführen könne. Zuvor hatten die Grünen die Handlungsfähigkeit von Kurz nur infrage gestellt.
Ermittlungen laufen
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kurz und einige seiner engsten Vertrauten wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Untreue. Das Team soll den Aufstieg von Kurz an die Spitze von Partei und Staat seit 2016 durch geschönte Umfragen und gekaufte Medienberichte abgesichert haben. Dafür seien Steuermittel geflossen. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, die am Mittwoch nach einer Razzia im Bundeskanzleramt bekannt geworden waren.
Am kommenden Dienstag will die Opposition bei einer Sondersitzung des Parlaments einen Misstrauensantrag gegen Kurz einbringen. Aufgrund der bisherigen Äußerungen gilt es als wahrscheinlich, dass die Grünen als derzeitiger Koalitionspartner der ÖVP dem Sturz von Kurz zustimmen, falls er nicht zuvor zurücktritt.
Für einen Rücktritt des Kanzlers noch vor einem Misstrauensvotum gab es zuletzt keine Anzeichen. Nach Solidaritätsbekundungen der Teilorganisationen, Länderchefs und Minister der ÖVP versicherte am Freitag auch die Fraktion dem Kanzler ihre Loyalität: „Eine Regierungsbeteiligung der Österreichischen Volkspartei ohne Bundeskanzler Sebastian Kurz wird vom Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei gänzlich ausgeschlossen.“
Am Freitag begannen die Grünen Gespräche mit allen Parlamentsparteien, um künftige Kooperationsmöglichkeiten auszuloten. Für eine mögliche Mehrparteienregierung ohne die Beteiligung der ÖVP bräuchten die Grünen allerdings nicht nur die Stimmen der sozialdemokratischen SPÖ und der liberalen Neos, sondern auch jene der rechten FPÖ.
Appell an Parteien
Am Abend forderte Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen alle Parteien auf, zuallererst an das Wohl des Landes und nicht an eigene Interessen zu denken. „Österreich kann sich jetzt keine Egoismen leisten“, sagte das Staatsoberhaupt in einer kurzen Rede an die Nation.
„Im Raum stehen schwere Anschuldigungen“, sagte der österreichische Präsident. Es entstehe ein „Sittenbild, das der Demokratie nicht gut tut“, so Van der Bellen.