Pokern um den nächsten Bundespräsidenten
Amtsinhaber Steinmeier hat gute Karten – Aber es gibt auch andere Optionen
Berlin – Kurz nach seiner Wahl stellte der erste deutsche Bundespräsident Theodor Heuss 1949 Spekulationen über den Grund an: Er selbst habe das höchste Staatsamt schließlich „nicht im unruhigen Ehrgeiz erstrebt“. Er sehe darin vielmehr eine Anerkennung für die Mittleraufgabe, die er zuvor beim Entstehen des Grundgesetzes übernommen habe. Schließlich habe er „auf der Rechten wie auf der Linken persönliche Freundschaften“.
Blumige Worte zur Umschreibung eines profanen Hintergrundes: Union und FDP hatten sich vorher auf eine Koalition und darauf geeinigt, dass Konrad Adenauer von der CDU erster Bundeskanzler und Theodor Heuss von der FDP erster Bundespräsident wird. Die geheime Stimmabgabe sorgte zwar für knappe Verhältnisse, aber so kam es.
Und wie sind nun die Mehrheiten?
Einzig eine neue Groko hätte rund hundert Stimmen Vorsprung bei einer Zweier-Kombination. Viel wahrscheinlicher ist eine Dreier-Verständigung. Ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP käme auf einen komfortablen Vorsprung von knapp hundert Stimmen. Gut drei Dutzend Stimmen über Soll brächte auch die Ampel aus SPD, Grünen und Liberalen zusammen. Ein Linksbündnis aus SPD, Linken und Grünen schafft nicht genügend Stimmen.
Frau an der Spitze
Formal werden Absprachen zwischen den künftigen Koalitionspartnern zum Stimmverhalten in der Bundesversammlung nicht Teil der offiziellen Verhandlungen sein. Wenn am Ende aber um wichtige Sachentscheidungen, Ministeriumsbesetzungen und Vorschlagsrechte für wichtige Posten außerhalb des Kabinetts gepokert wird, dürfte der
Blick automatisch auch auf das Präsidentenamt fallen. Denn hier wird die neue Koalition schon bald eine Mehrheit zu organisieren haben.
Abstrakt herrscht eine doppelte und sich widersprechende Vorstellung vor. Erstens: Es wird nach 72 Jahren Männern an der Staatsspitze höchste Zeit für eine Frau Bundespräsidentin. Zweitens: Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier macht einen tollen Job und
würde keine Bedenken wegen einer zweiten Amtszeit auslösen. Das finden nach einer Forsa-Umfrage auch rund 70 Prozent der Bevölkerung. Durch einen ungewöhnlichen Vorstoß hatte Steinmeier bereits im Mai seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit angemeldet, nachdem er aus verschiedenen Parteien Rückhalt verspüren konnte.
Doch die Grünen haben als gewachsener Machtfaktor den
Anspruch, auf Augenhöhe aufzutreten. Sie haben noch nie das Staatsoberhaupt stellen dürfen, Union, SPD und FDP schon mehrfach. Außerdem haben sie mit Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt eine vorzeigbare Frau aus dem Osten, die auch erkennbar bereit ist für den Sprung an die Spitze.
Allerdings wollen weder FDP noch Grüne im Stadium der Sondierungen erkennen lassen, dass ihnen die Besetzung des Amtes etwas wert sein könnte. Der Ball liegt ohnehin im Spielfeld der SPD.
SPD-Strategie
Bis Mitte Oktober muss sich die SPD entscheiden, wen sie als stärkste Fraktion für die Spitze des Parlamentes vorschlägt. Ist es eine Frau, steigen die Chancen für Steinmeier. Ist es ein Mann und müssen die Grünen am Ende der Verhandlungen personell kompensiert werden, schwinden sie.