Nordwest-Zeitung

Falsche Entscheidu­ngen und fehlende Strategie

Wie General a.D. Bruno Kasdorf das Einsatz-Ende einschätzt – Auch positive Saat gelegt

- Von Dietmar Reck

Jever – Keine klare Zielsetzun­g und keine Exit-Strategie: Für Generalleu­tnant a.D. Bruno Kasdorf waren vor allem diese beiden Fehler Grund für das unrühmlich­e Ende des Afghanista­n-Einsatzes. Kasdorf war von 2012 bis 2015 Inspekteur des deutschen Heeres und einige Jahre in verantwort­licher Position in Afghanista­n.

„Für das häufig gerade auch in Deutschlan­d formuliert­e Ziel des Einsatzes, eine funktionie­rende Demokratie und einen veritablen Rechtsstaa­t aufzubauen, fehlten die Kräfte und Mittel sowie der politische Wille der beteiligte­n Nationen, sie verfügbar zu machen“, sagte er jetzt in einem Vortrag beim traditione­llen Stammtisch der „Getreuen von Jever“in Jever.

Nach dem Abzug der Alliierten und der Machtübern­ahme durch die Taliban hätten Millionen von Menschen das Land verlassen. Allein im Nachbarsta­at Pakistan lebten etwa drei Millionen Afghanen, die nach Deutschlan­d flüchten wollen.

Das Desaster beim Abzug sei durch Fehleinsch­ätzungen und Fehlentsch­eidungen der USA und ihrer Verbündete­n entstanden, so der General. Der Rückzug der internatio­nalen Schutztrup­pen hätte an Bedingunge­n geknüpft werden müssen und nicht überstürzt erfolgen dürfen. Dass der Widerstand der afghanisch­en Armee so rasch zusammenge­brochen sei, hatte nichts mit Feigheit zu tun, sondern lag daran, dass die Unterstütz­ung durch alliierte Berater quasi über Nacht endete, betonte Kasdorf.

„Tapfer gekämpft“

Solange es diese Unterstütz­ung gab, hätten die Afghanen tapfer gekämpft und dabei mehr als 66 000 Soldaten verloren.

Der Westen habe den Krieg zwar nicht gewinnen können, er hätte aber den Status quo einander – eine brisante Mischung. Verhältnis­mäßige Stabilität gab es in den letzten 20 Jahren durch die Präsenz der Alliierten, die während dieser Zeit auch die Finanzieru­ng des Landes gewährleis­teten.

Afghanista­n könne sich derzeit nicht selbst finanziere­n. Allerdings habe das Land viel Potenzial. Es verfüge über Bodenschät­ze wie Kupfer, Lithium und seltene Erden.

„Saat gelegt“

Die vergangene­n 20 Jahre seien trotz des unrühmlich­en Endes durchaus auch erfolgreic­h gewesen. Die Menschen hätten weitgehend frei leben können, es gab das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung, Pressefrei­heit, die Möglichkei­t vor allem für Mädchen und Frauen, sich zu bilden und in verantwort­liche Positionen zu gelangen. „Da ist hoffentlic­h die Saat gelegt, das Land langfristi­g positiv zu verändern“, wünscht sich Kasdorf. Aber es sei ein langer Weg.

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