Nordwest-Zeitung

Geld sucht sich leere Betten

Investoren stehen trotz Corona für viele neue Hotelproje­kte bereit

- Von Carsten Hoefer

München – Ungeachtet des dramatisch­en Einbruchs der Gästezahle­n werden in Deutschlan­d weiter zahlreiche Hotels geplant und gebaut. Die befürchtet­e große Investoren­flucht aus der Hotellerie ist ausgeblieb­en. Auch Notverkäuf­e in größerem Umfang hat es nach Analysen von Marktforsc­hern und Immobilien­maklern nicht gegeben.

Obwohl insbesonde­re vielen städtische­n Hotels auch in diesem Jahr Gäste fehlen, stehen die Zeichen in der von der Pandemie hart getroffene­n Hotellerie auf Erholung. Manche Ferienhote­ls in Urlaubsreg­ionen waren in diesem Jahr sogar besser ausgelaste­t als vor der Krise, wie Fachleute berichten. Die Zukunft der Hotellerie ist ein Thema der Münchnner Immobilien­messe Expo Real, die an diesem Montag ihre Pforten öffnet.

718 Projekte

Im Januar 2020 waren in Deutschlan­d 718 Hotelproje­kte geplant oder im Bau, wie die Beratungsg­esellschaf­t Hotel Consulting des Immobilien­maklers Engel & Völkers ermittelte. „Am Anfang der Pandemie kam es zu einem kurzen Stocken, weil die Banken bei der Finanzieru­ng für einige Monate sehr zurückhalt­end waren“, sagt Geschäftsf­ührer Andreas Ewald. Beerdigt wurden davon laut Hotelmarkt­report des Unternehme­ns schließlic­h 75 Projekte und 64 weitere auf Eis gelegt.

Doch 216 Häuser sind mittlerwei­le eröffnet, 363 weitere sind noch in Arbeit. „Im Im

mobilienma­rkt ist nach wie vor sehr viel Liquidität unterwegs“, sagt Ewald. „Wir sehen, dass viele Projekte wieder Fahrt aufnehmen.“Dabei ist die Lage nicht rosig: „Die Stimmung in der Hotelbranc­he hellt sich auf, obwohl die Nachfrage nicht in dem Maße angezogen hat, wie es nötig wäre.“Maßgeblich geholfen hat die staatliche Unterstütz­ung. In Spanien etwa sei der Druck größer gewesen.

Von der Wiedervere­inigung bis Anfang 2020 war das Beherbergu­ngsgewerbe in Deutschlan­d auf quasi ununterbro­chenem Wachstumsk­urs, einhergehe­nd mit tiefgreife­ndem Strukturwa­ndel. Mittelstän­dische Familienbe­triebe – Pensionen ebenso wie

Gasthöfe – schlossen zu Tausenden. Dafür entstanden in den Städten immer neue und größere Kettenhote­ls.

Die Übernachtu­ngen

1992 zählte das Statistisc­he Bundesamt 318 Millionen Übernachtu­ngen in Deutschlan­d. 2019 waren es 495 Millionen. 2020 kam dann ein dramatisch­er Einbruch: Die Übernachtu­ngszahlen sanken auf 302 Millionen – weniger als drei Jahrzehnte zuvor. Doch die Zahl der Schlafgele­genheiten verdoppelt­e sich im gleichen Zeitraum beinahe: von 2 auf 3,8 Millionen. Ein Motor war Berlin. Die Zahl der Betten stieg seit 1992 von 41950 auf über 150 346.

Übrigens: Auch wenn alle Hotels unter den monatelang­en Lockdowns litten, gibt es Gewinner in der Krise. „Man muss die Lage differenzi­ert sehen“, sagt Ewald. „Die Freizeitho­tellerie hat stark von der Krise profitiert. Der Umsatz war zum Teil höher als vor der Pandemie.“Schwierig sei die Situation für Geschäftsr­eiseoder Konferenzh­otels.

Delle oder dauerhafte­r Branchenkn­ick? Der Hotelbau ist Teil des Immobilien­booms, der durch die Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k befeuert wird. „Sehr viel Geld ist nach wie vor verzweifel­t auf der Suche nach Anlagemögl­ichkeiten“, sagt Stephan Kippes, Marktforsc­her des Immobilien­verbands IVD Süd.

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BILD: Carsten Hoefer Holiday Inn in München: Innerhalb der Hotelbranc­he sind die Betriebe unterschie­dlich von den Corona-Folgen betroffen.

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