Nordwest-Zeitung

Ab in die Mitte

Wie um die Sitzordnun­g im Deutschen Bundestag gekämpft wird

- Von Gregor Mayntz, Büro Berlin

Als der sogenannte „Vorälteste­nrat“die Konstituie­rende Sitzung des neuen Bundestage­s für Dienstag kommender Woche vorbereite­te, galt noch einmal die alte Aufstellun­g. Auch die Frage, wer wo sitzen soll, sah der scheidende Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) als Aufgabe seiner Nachfolge an.

Und so macht sich die neue Mehrheit aus SPD, Grünen und FDP noch nicht sogleich bemerkbar. Es bleibt bei der Premiere nächste Woche wie gehabt: Vom Rednerpult aus gesehen sitzen die Linken ganz links, dann die SPD, die Grünen, die Union, die FDP und die AfD. Doch so dürfte es nicht bleiben. Denn die FDP will weg von der AfD, rein in die Mitte.

Der Wunsch der FDP

„Damit niemand überrascht ist, haben wir den Wunsch schon mal hinterlegt“, erläutert FDP-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Florian Toncar. Auch 2017 hatten sie in die Mitte gewollt – wer weiß, wie die Stimmung in den dann gescheiter­ten Jamaika-Verhandlun­gen vor vier Jahren geworden wäre, wenn die Union beim Sitz-Wunsch der FDP nicht auf stur geschaltet hätte.

CDU und CSU konnten darauf verweisen, dass die FDP schon immer rechts von ihr saß. So hatte es sich bereits von Anfang der parlamenta­rischen Nachkriegs­ordnung entwickelt. Im ersten Bundestag saßen ganz links die (dann verbotenen) Kommuniste­n, daneben die SPD, die Union, die FDP und ganz rechts die aus Zentrum und Bayernpart­ei hervorgega­ngene Föderalist­ische Union sowie die rechtsgeri­chtete Deutsche Partei. Von Wahl zu Wahl verschwand­en mehr rechte Parteien – und die FDP rutschte immer mehr nach rechts.

Da blieben die Freien Demokraten sogar in den Zeiten der soziallibe­ralen Koalition.

Und als 1983 die Grünen neu hinzukamen, wollte die Union diese zunächst ganz links unterbring­en. Das hätte im alten Bonner Plenarsaal den Nebeneffek­t gehabt, dass sie unter den Presse- und Zuschauert­ribünen von den Kameras kaum wahrgenomm­en worden wären. Doch die SPD stand damals auf dem Standpunkt, dass es links neben ihr keine Partei geben solle. Als die Grünen mit einem Stehprotes­t in die Konstituie­rung hineingehe­n wollten, gab die Union einen Tag vor der Sitzung nach. Seitdem sitzen die Grünen in der Mitte.

Die Sitzordnun­g ist nicht ohne Belang. Schon die üblichen Charakteri­sierungen einer Partei als eher links oder eher rechts sind auf die ersten Parlamente nach der französisc­hen Revolution zurückzufü­hren. In der Deputierte­nversammlu­ng von 1814 fühlten sich die Adligen rechts vom Präsidente­n am wohlsten. Sie standen künftig für Parteien, die das Bewahren in den Vordergrun­d rückten. Dagegen fanden sich die Vertreter des dritten Standes links vom Präsidente­n ein. Sie standen von nun an für Arbeiterve­rtreter, die die bestehende Ordnung von „links“verändern wollten.

AfD als Nachbar

Und der neue Bundestag? Was wird aus der FDP? Vier Jahre auf Tuchfühlun­g mit der AfD im Bundestag haben den Liberalen jedenfalls mehr als gereicht. Manche Zwischenru­fe aus nächster Nähe ließen die FDP-Parlamenta­rier immer wieder erschütter­n. Marco Buschmann, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der FDP-Fraktion, fasst die Erlebnisse in der Feststellu­ng zusammen, es sei „schwer, diese Sprüche zu ertragen“.

Klar ist: Eine Mehrheit kann über die Sitzordnun­g im Plenum verfügen. Insofern dürfte es zu Beginn des nächsten Jahres zu einem Umbau im Plenarsaal kommen.

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Dpa-BILD: Skolimowsk­a Handwerker tragen einen Tisch: Die Sitzordnun­g im Bundestag dürfte sich wohl wieder ändern.

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