Ab in die Mitte
Wie um die Sitzordnung im Deutschen Bundestag gekämpft wird
Als der sogenannte „Vorältestenrat“die Konstituierende Sitzung des neuen Bundestages für Dienstag kommender Woche vorbereitete, galt noch einmal die alte Aufstellung. Auch die Frage, wer wo sitzen soll, sah der scheidende Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) als Aufgabe seiner Nachfolge an.
Und so macht sich die neue Mehrheit aus SPD, Grünen und FDP noch nicht sogleich bemerkbar. Es bleibt bei der Premiere nächste Woche wie gehabt: Vom Rednerpult aus gesehen sitzen die Linken ganz links, dann die SPD, die Grünen, die Union, die FDP und die AfD. Doch so dürfte es nicht bleiben. Denn die FDP will weg von der AfD, rein in die Mitte.
Der Wunsch der FDP
„Damit niemand überrascht ist, haben wir den Wunsch schon mal hinterlegt“, erläutert FDP-Fraktionsgeschäftsführer Florian Toncar. Auch 2017 hatten sie in die Mitte gewollt – wer weiß, wie die Stimmung in den dann gescheiterten Jamaika-Verhandlungen vor vier Jahren geworden wäre, wenn die Union beim Sitz-Wunsch der FDP nicht auf stur geschaltet hätte.
CDU und CSU konnten darauf verweisen, dass die FDP schon immer rechts von ihr saß. So hatte es sich bereits von Anfang der parlamentarischen Nachkriegsordnung entwickelt. Im ersten Bundestag saßen ganz links die (dann verbotenen) Kommunisten, daneben die SPD, die Union, die FDP und ganz rechts die aus Zentrum und Bayernpartei hervorgegangene Föderalistische Union sowie die rechtsgerichtete Deutsche Partei. Von Wahl zu Wahl verschwanden mehr rechte Parteien – und die FDP rutschte immer mehr nach rechts.
Da blieben die Freien Demokraten sogar in den Zeiten der sozialliberalen Koalition.
Und als 1983 die Grünen neu hinzukamen, wollte die Union diese zunächst ganz links unterbringen. Das hätte im alten Bonner Plenarsaal den Nebeneffekt gehabt, dass sie unter den Presse- und Zuschauertribünen von den Kameras kaum wahrgenommen worden wären. Doch die SPD stand damals auf dem Standpunkt, dass es links neben ihr keine Partei geben solle. Als die Grünen mit einem Stehprotest in die Konstituierung hineingehen wollten, gab die Union einen Tag vor der Sitzung nach. Seitdem sitzen die Grünen in der Mitte.
Die Sitzordnung ist nicht ohne Belang. Schon die üblichen Charakterisierungen einer Partei als eher links oder eher rechts sind auf die ersten Parlamente nach der französischen Revolution zurückzuführen. In der Deputiertenversammlung von 1814 fühlten sich die Adligen rechts vom Präsidenten am wohlsten. Sie standen künftig für Parteien, die das Bewahren in den Vordergrund rückten. Dagegen fanden sich die Vertreter des dritten Standes links vom Präsidenten ein. Sie standen von nun an für Arbeitervertreter, die die bestehende Ordnung von „links“verändern wollten.
AfD als Nachbar
Und der neue Bundestag? Was wird aus der FDP? Vier Jahre auf Tuchfühlung mit der AfD im Bundestag haben den Liberalen jedenfalls mehr als gereicht. Manche Zwischenrufe aus nächster Nähe ließen die FDP-Parlamentarier immer wieder erschüttern. Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, fasst die Erlebnisse in der Feststellung zusammen, es sei „schwer, diese Sprüche zu ertragen“.
Klar ist: Eine Mehrheit kann über die Sitzordnung im Plenum verfügen. Insofern dürfte es zu Beginn des nächsten Jahres zu einem Umbau im Plenarsaal kommen.