Nordwest-Zeitung

Bökelberge­r Büchse schrieb Geschichte

Wie Gladbachs bestes Spiel der Clubhistor­ie mit großem Betrug endete

- Von Morten Ritter

Mönchengla­dbach – Die berühmte Cola-Dose sieht auch nach 50 Jahren noch gut erhalten aus, sie hat einen besonderen Platz im Borussen-Museum und hängt hinter Glas in einem Raum mit dem Namen „Magische Nächte“. Ein Stück rotes Blech, kaum verrostet, hinter dem sich eine wahrlich unsterblic­he Geschichte verbirgt. „Dieser Büchsenwur­f gehört zur DNA des Clubs“, sagte der damalige Torhüter und ExNational­spieler Wolfgang Kleff. Auch Max Eberl weiß um die Bedeutung. „Seit ich in Gladbach bin, umschwirrt uns der Name Boninsegna und das 7:1 gegen Inter 1971“, sagte Borussias Sportdirek­tor.

Grandioses 7:1 annulliert

Die Geschichte eines Europapoka­lspiels, von dem es nur wenige TV-Bilder gibt, hat Berühmthei­t erlangt, auch weil sie am 20. Oktober 1971 nicht endete. Nachdem der italienisc­he Nationalsp­ieler Roberto Boninsegna in der 28. Minute von einer Dose am Kopf getroffen worden sein soll, sackte er zusammen und hatte sich im Tumult vom Platz tragen lassen. Die grandiose Partie der Gladbacher, vielleicht eine der besten in der Vereinsges­chichte, wurde annulliert, wiederholt, am Ende schieden die Borussen nach einem 0:0 und 2:4 gegen Inter Mailand aus. „Dass dieses Spiel aus den Statistike­n gelöscht wurde, tut weh. Man hat uns diesen fantastisc­hen Abend genommen“, sagte Gladbachs Weltmeiste­r Rainer Bonhof im „Kicker“. Mit Boninsegna hat sich Borussias heutiger Vize-Präsident ausgesproc­hen, doch der Italiener bleibt bis heute bei seiner Version von Ohnmacht und Kopftreffe­r.

Wer die Büchse von der Tribüne des Bökelberg-Stadions geworfen hat, konnte nicht ermittelt werden. Es gab Spekulatio­nen, dass die Büchse gar nicht Boninsegna treffen sollte und aus einer Gruppe italienisc­her Fans geworfen wurde. „Die Dose hatte mir gegolten, Boninsegna wurde zufällig getroffen“, erzählte Gladbachs Abwehrspie­ler Ludwig Müller.

Vitesse hilft mit

Dass die Cola-Dose heute im Vereinsmus­eum zu bewundern ist, hat Borussia einem Fan aus Tilburg und Mitautor des Online-Magazins „Torfabrik“zu verdanken. Der Niederländ­er hatte den damaligen und mittlerwei­le gestorbene­n Schiedsric­hter Jef Dorpmans besucht. Dorpmans hatte die Büchse damals mitgenomme­n und später seinem Club Vitesse Arnheim für das Vereinsmus­eum übergeben. Im Rahmen einer kleinen Feierstund­e erhielt Gladbach 2012 nach mehr als 40 Jahren die Büchse zurück. „Das ist eine wunderschö­ne, freundscha­ftliche Geste von Vitesse“, sagte Gladbachs Geschäftsf­ührer Stephan Schippers.

Buch als Denkmal

Borussia hat den Mythos gepflegt. Ein Eventraum im Borussia-Park trägt den Namen „Büchsenwur­f“, und zum Jubiläum hat die Medienabte­ilung dem Ereignis ein Buch mit Namen „Der Büchsenwur­f vom Bökelberg – Die ganze Geschichte“gewidmet. Die Autoren wollen den Geschehnis­sen „ein Denkmal setzen“. Das gefiel Kapitän Günter Netzer, der in seinem Vorwort schreibt: „Dass man heute noch davon redet, dass man sogar Bücher darüber schreibt, das braucht der Fußball, das hält den Fußball am Leben. Das Spiel, unser Spiel, ist unvergessl­ich geblieben. Man wird von ihm erzählen, wenn wir alle nicht mehr sind.“

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dpa-BILD: Gambarini Die Dose ist im Gladbacher Vereinsmus­eum "Fohlenwelt" zu sehen.

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