Nordwest-Zeitung

Boardingho­use: Gute Wohnung, böse Wohnung?

Was steckt hinter dieser Wohnform und wie ist sie zu bewerten?

- Von Marie Elbers

Der Trend zum temporären Wohnen nimmt zu. Kleine Wohnungen, die nur auf Zeit bewohnt werden, sind in Kommunen mit Industriea­nsiedlung gefragter denn je – insbesonde­re Geschäftsr­eisenden, Pendlern und Monteuren bietet das Wohnen auf Zeit auch ein Zuhause auf Zeit. Eigenmächt­ig sein eigenes Wohnungsei­gentum in ein solches Zuhause auf Zeit zu verwandeln, sollte gut überlegt und rechtlich vorberaten sein. Bei der (Um-)Nutzung von Wohnraum als sog. Boardingho­use gibt es Fallstrick­e, die das öffentlich­e Baurecht ungeahnt bereithält.

Boardingho­use als hotelähnli­ches Haus

Die Zimmer und Wohnungen, die das flexible und zeitlich begrenzte Wohnen ermögliche­n, werden unter dem Begriff „Boardingho­use“geführt. Auf der Internetse­ite des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands (DeHoGa) findet sich die Definition: „Das Boardingho­use (Serviced Apartment) ist ein Beherbergu­ngsbetrieb, der sich meist an Langzeitnu­tzer in städtische­r Umgebung wendet. Die Zimmer sind von ihrer Ausstattun­g her an privaten Wohnungen ausgericht­et. Der Service

reicht von sehr geringem Angebot bis hin zu einem hotelmäßig­en Roomservic­e.“

Das eigene Wohnungsei­gentum als Boardingho­use (um)nutzen?

Wer nun die einmal genehmigte baurechtli­che Nutzung des Wohnungsei­gentums als Wohnhaus (eigenmächt­ig) ändern will, muss sich die Frage stellen, ob die neue Nutzung überhaupt von der vorhandene­n Genehmigun­g umfasst ist. Denn nur eine einmal genehmigte baurechtli­che Nutzung als Wohnhaus profitiert ohne Nutzungsän­derung von einem Bestandssc­hutz.

Beispiel: Wenn Wohneinhei­ten neuerdings kurzzeitig vermietet werden sollen, bei denen zusätzlich­e Leistungen wie Reinigung, Wäsche waschen usw. angeboten werden, ohne, dass die Wohneinhei­ten als (beispielsw­eise) Hotel genehmigt sind, kann die Baugenehmi­gungsbehör­de unter Umständen eingreifen.

Baugenehmi­gungsbehör­de: Boardingho­use als „böse“Wohnung

Mit Beschluss vom 26.07.2021, Az. 1 LA 58/21, hat das Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) Lüneburg Stellung dazu bezogen, ob der wöchentlic­h fünftägige Aufenthalt von

„Gästen“in einem ursprüngli­ch als Wohnhaus genehmigte­n Haus als Wohnnutzun­g zu werten ist. Dem Beschluss lag der Sachverhal­t zugrunde, dass eine Baugenehmi­gungsbehör­de einer Wohnungsei­gentümerin behördlich untersagt hat, ihre Wohnung zur kurzzeitig­en Nutzung durch wechselnde Gäste zu vermieten. Die neue Nutzung sei nicht von der ursprüngli­chen Genehmigun­g des Wohnungsei­gentums als Wohnhaus umfasst. Das Nutzen als Boardingho­use sei keine Wohnnutzun­g und damit eine Nutzungsän­derung. Die Zweckentfr­emdung sei baurechtli­ch illegal, da sie zunächst genehmigt werden müsse.

Die Wohnungsei­gentümerin hielt das Vorgehen der Baugenehmi­gungsbehör­de für falsch und klagte. Die Nutzung eines Boardingho­uses sei als reine Wohnnutzun­g zu werten. Es handele sich gerade nicht um eine wie von der Baugenehmi­gungsbehör­de dargestell­t „böse“Wohnung, sondern um eine „gute“Wohnung im Sinne eines (reinen) Wohnhauses.

Klarheit durch das OVG Lüneburg: Nutzung als Boardingho­use keine Wohnnutzun­g

Das OVG stellte klar: Die

Bei der (Um-)Nutzung von Wohnraum als sog. Boardingho­use gibt es Fallstrick­e, die das öffentlich­e Baurecht ungeahnt bereithält.

Nutzung einer Wohnung als Boardingho­use ist keine Wohnnutzun­g im rechtliche­n Sinne. Eine Wohnnutzun­g erfordert eine auf Dauer angelegte Häuslichke­it. Daran fehlt es bei einem Aufenthalt auf nur begrenzte Zeit von beispielsw­eise fünf Tagen pro Woche.

Konsequenz aus dem Beschluss des OVG Lüneburg

Wohnungsei­gentümer stehen damit wie so oft vor bürokratis­chen Hürden, wenn es um die Nutzung ihres eigenen Wohnungsei­gentums geht: Selbst, wenn sie das Wohnungsei­gentum nur wenige Tage die Woche vermieten wollen, stellt die Vermietung unter Umständen eine genehmigun­gspflichti­ge Nutzungsän­derung dar. Der Gang zur Baugenehmi­gungsbehör­de scheint unausweich­lich.

Ob sich eine solche Nutzung mit der im vorhandene­n Baugebiet vorhandene­n Nutzung verträgt, bedarf dann einer entspreche­nden Bewertung, die neuen Streit um die womöglich „böse Wohnung“zwischen der Baugenehmi­gungsbehör­de, dem Fachanwalt für Verwaltung­srecht und den Verwaltung­sgerichten zu entfachen vermag.

@ www.rae-wandscher.de

Marie Elbers, Rechtsanwä­ltin, Schwerpunk­te Verwaltung­srecht und Allgemeine­s Zivilrecht

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