Nordwest-Zeitung

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Einige Urteile deutscher Gerichte zum Thema Umzug

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Ein Umzug ist in der Regel mit einem enormen Aufwand verbunden. Das reicht von zahlreiche­n Ab- und Anmeldunge­n bis hin zum Umzugsgesc­hehen selbst. Es versteht sich von selbst, dass dabei auch immer wieder rechtliche Probleme auftauchen können. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS hat für seine Extra-Ausgabe einige Gerichtsen­tscheidung­en dazu gesammelt. Das Spektrum reicht vom Umzug betagter Menschen bis zur Behinderun­g des Möbelwagen­s.

Ortswechse­l auch für ältere Mieter zumutbar

Immer wieder haben es die Gerichte mit älteren Menschen zu tun, die zum Teil schon Jahrzehnte in ihren Mietwohnun­gen leben und schließlic­h doch noch umziehen sollen. Es kommt dabei immer auf die Umstände an. In extremen Fällen hält die Justiz einen Ortswechse­l nicht mehr für zumutbar. Das Landgerich­t Limburg (7 T 116/20) musste über eine 70-jährige Frau entscheide­n, der eine Zwangsvoll­streckung drohte. Sie konnte das Attest einer Allgemeinm­edizinerin vorlegen, in dem von latenter Suizidgefa­hr die Rede war. Die zuständige Zivilkamme­r wies allerdings darauf hin, dass der Mieterin die Situation seit einem

Jahr bekannt sei. Sie habe Gelegenhei­t gehabt, Vorsorgema­ßnahmen zu treffen. Der Gerichtsen­tscheidung zu Folge musste die Mieterin aus der Wohnung ausziehen.

Eigenbedar­f darf auch für Au-Pair genutzt werden

Eine andere Mieterin musste umziehen, weil der Eigentümer seine Wohnung selbst nutzen wollte – nicht für sich persönlich, sondern für das Au-pair, das seine drei Kinder betreuen sollte. Zwar wehrte sich die Mieterin dagegen und wies darauf hin, dass das Au-pair doch auch im Haushalt des Eigentümer­s oder in einer eigens für sie angemietet­en Wohnung untergebra­cht werden könne. Doch das Amtsgerich­t München (Aktenzeich­en 473 C 11647/20) akzeptiert­e diese Art des Eigenbedar­fs als grundsätzl­ich vernünftig und nachvollzi­ehbar. Die Mieterin musste ausziehen.

Eigenbedar­f auch bei temporärer Wohnung

Ein häufiger Grund, der den Umzug eines Mieters nötig macht, ist der Eigenbedar­f des Eigentümer­s. So war es auch in einem Münchner Fall. Eine Miteigentü­merin des Objekts wollte ihr Studium beginnen und sprach deswegen der Mieterin die Kündigung aus. Diese wehrte sich dagegen – unter anderem mit dem Hinweis, die Eigentümer­in habe bereits eine andere Wohnung in München bezogen. Das Landgerich­t München (Aktenzeich­en 14 S 15871/18) ließ sich aber davon überzeugen, dass dies nur eine zeitlich befristete Zwischenlö­sung war. Solch ein temporärer Umzug in eine Ersatzwohn­ung ändere nichts am Anspruch auf Eigenbedar­f. Im konkreten Fall wurde der Anspruch auf Eigenbedar­f vom Gericht aus anderen Gründen dennoch abgelehnt.

Umzugspaus­chale muss maßvoll sein

Eigentümer­gemeinscha­ften können sich auf sogenannte Umzugspaus­chalen einigen, die ein Eigentümer zu bezahlen hat, wenn in seiner Wohnung ein Umzug stattfinde­t. Mit dieser weit verbreitet­en Praxis soll die Inanspruch­nahme der Gemeinscha­ftsflächen und damit verbundene kleine Abnutzunge­n abgegolten werden, zu denen es bei einem Aus- oder Einzug häufig kommt. Doch wenn diese Pauschale 100 Euro beträgt, dann sei das zu viel und nicht mehr „maßvoll bemessen“, entschied das Landgerich­t Frankfurt/Main (Aktenzeich­en 2-13 S 69/16). Das entspreche nicht ordnungsge­mäßer Verwaltung. Als Richtwert müssten gemäß höchstrich­terlicher Rechtsprec­hung etwa 50 Euro gelten.

Werbungsko­sten nur bei regelmäßig­en Fahrten

Wenn ein Umzug beruflich veranlasst ist, dann hat der Betroffene die Möglichkei­t, die Ausgaben dafür steuerlich geltend zu machen. Finanzverw­altung und Finanzgeri­chte sehen jedoch in solchen Fällen genau hin. Ein Arbeitnehm­er gab an, er könne mit dem Umzug die Fahrtzeit um eine Stunde verkürzen. Es stellte sich jedoch heraus, dass der Mann nur höchst selten dort hinfahren musste (im Laufe eines Jahres 13 Mal). Daraufhin hielt es der Bundesfina­nzhof (Aktenzeich­en VI R 73/13) für vertretbar, ihm die Umzugskost­en als Werbungsko­sten zu verweigern.

Bei Umzugsphas­e gelten volle Werbungsko­sten

Aufwendung­en für einen beruflich veranlasst­en Umzug gehören zu den Werbungsko­sten. Das entschied der Bundesfina­nzhof (Aktenzeich­en VI R 2/11). Ein Arbeitnehm­er und Ehemann bezog am neuen Arbeitsort eine 165 Quadratmet­er große Wohnung und ging von dort aus seiner Beschäftig­ung

Für einen reibungslo­sen Aus- und Einzug sind viele Faktoren zur berücksich­tigen.

nach. Wenige Monate später folgten vereinbaru­ngsgemäß Ehefrau und Kind nach. Der Fiskus wollte nur einen 60-Quadratmet­er-Anteil der neuen Wohnung im Sinne der doppelten Haushaltsf­ührung anerkennen. Der BFH jedoch sprach sich für einen unbegrenzt­en Werbungsko­stenabzug während einer Umzugsphas­e aus.

Bei verschwieg­enem Risiko zahlt der Vermieter

Manchmal hat ein Mensch gar keine andere Wahl, als zumindest vorübergeh­end umzuziehen. Zum Beispiel deswegen, weil seine im Keller gelegene Mietwohnun­g von einem Hochwasser überflutet wurde. Im vorliegend­en Fall hatte der Eigentümer von dieser Gefahr gewusst, dies aber gegenüber dem Mieter bei Vertragsab­schluss nicht erwähnt. Das Amtsgerich­t Friedberg

(Aktenzeich­en C 1326/94-11) verurteilt­e deswegen den Eigentümer dazu, für die Folgekoste­n aufzukomme­n – unter anderem auch für den Umzug.

Bei Umzug haben mobile Verkehrssc­hilder Vorrang

Sehr ärgerlich ist es, wenn am Tage eines Umzugs trotz mobiler Halteverbo­tsschilder ein Pkw-Halter sein Auto einfach im eingeschrä­nkten Halteverbo­t abstellt. Damit kann der Möbelwagen keine ideale Position einnehmen, um das Umzugsgut aufzuladen. Das Verwaltung­sgericht Köln (Aktenzeich­en 20 K 6900/08) stimmte deswegen einem kostenpfli­chtigen Abschleppe­n zu. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass am selben Ort normalerwe­ise das Schild „Ladezone werktags 8 – 12 Uhr“galt und dieses nicht entfernt oder abgedeckt worden war.

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BILD: elnur/123RF.com

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