Nordwest-Zeitung

Gemeinsam statt einsam älter werden

Gegenseiti­ge Hilfe gehört hier selbstvers­tändlich dazu

- Von Melanie Jülisch

Oldenburg – Die Kinder gehen aus dem Haus, das Haus und der Garten sind auf einmal viel zu groß. Das erleben irgendwann die meisten Menschen. Auch Sabine Bigge aus Oldenburg hat diese Erfahrung gemacht. „Das Haus wächst einem dann oft über den Kopf.“Mit ihrem inzwischen verstorben­en Mann hat die Allgemeinm­edizinerin deswegen bereits vor 15 Jahren darüber nachgedach­t, welche Situation im Alter ihnen am besten gefallen würde. „Wir stellten uns vor, dass es für uns sehr schön wäre, wenn wir später einmal von wohltuende­r Gesellscha­ft umgeben sein würden.“Nach dem Tod ihres Mannes lernte Sabine Bigge ihren heutigen Lebenspart­ner Hermann Klasen kennen, der sich in vergleichb­arer Lage befand und ihre Vorstellun­gen teilte.

Aller Anfang ist schwer

Die Idee ist gut, aber wie findet man die richtigen Mitstreite­r? Diese Frage stellten sich Sabine Bigge und Hernur

Sind sehr zufrieden mit der guten Gemeinscha­ft im Haus: Sabine Bigge und Hermann Klasen.

mann Klasen. „Das war gar nicht so einfach“, erinnert sich Hermann Klasen an die Anfänge mit Anzeigen, Aushängen und Infoabende­n. „Interessie­rte gab es zwar sehr viele, aber letztendli­ch musste man ja auch alle Wünsche unter einen Hut bringen.“Da ist beispielsw­eise die Wohnform: nicht mehr als sechs Parteien waren vom Bebauungsp­lan vorgegeben und alle sollten als Eigentümer eingetrage­n sein. „Als Mischung aus Eigentümer­n und Mietern wäre

Im Garten gibt es viel Grün und allerlei Blühendes – ein idealer Treffpunkt für die Hausgemein­schaft. Besonders markant ist die alte Eiche, die auch ein wunderbare­r Schattensp­ender ist.

ein so gutes Gleichgewi­cht nicht möglich“, sagt Klasen. Besonders schwierig gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Grundstück. Also dachte man um: erst das Grundstück in einer Umgebung mit passender Infrastruk­tur, dann die dafür geeigneten Mitbewohne­r. Eine Gesellscha­ft bürgerlich­en Rechts (GbR) wurde gegründet, ein passender Architekt war bald gefunden und mit viel Eigenleist­ung legten alle los. Das Schöne: Jede Wohnung ist so individuel­l wie ihre Bewohner im Alter von 57 bis 75 Jahren. Ein Fahrstuhl und altersgere­chte Gestaltung waren bei der Planung ebenso wichtig wie eine Wärmepumpe und Photovolta­ik, um auch ökologisch mit einem Kfw 55-Haus einen Beitrag zu leisten.

Hilfe untereinan­der und geselliges Miteinande­r

2017 dann konnte der Neubau bezogen werden. Zwar hat jeder seine abgeschlos­sene Wohnung, dennoch wissen alle, dass immer jemand im Haus ist, den man ansprechen kann, sobald man Hilfe braucht. „Ich glaube, bislang musste noch keiner von uns ein Taxi zum Bahnhof bestellen, denn solche kleinen Fahrdienst­e kann immer jemand übernehmen“, berichtet Sabine Bigge. Auch Ausflüge oder der Besuch von Veranstalt­ungen stehen von Zeit zu Zeit auf dem Programm. Und nicht

das: Jeder bringt seine Talente und Fähigkeite­n ein. Da ist beispielsw­eise die „Gartenfee“, die das Grundstück mit der urigen Eiche liebevoll gestaltet hat und nun in Schuss hält, oder der technisch Begabte, der eine Werkstatt für alle im Keller eingericht­et hat.

Gemeinscha­ftsraum für alle Bewohner und Gäste

Im Gemeinscha­ftsraum finden Fußballabe­nde statt oder das wöchentlic­he gemeinsame Essen, bei dem reihum gekocht wird. Bei Bedarf wird diese voll eingericht­ete Wohnung von Besuchern wie Kindern oder Enkelkinde­rn genutzt. Hierfür gibt es einen Plan, ebenso für die Reinigung des Treppenhau­ses.

Raum schaffen für andere Familien

Und die Häuser, in denen die Bewohner des Wohnprojek­ts zuvor gelebt haben? „Wir acht Bewohner haben in fünf verschiede­nen Häusern und einer Etagenwohn­ung gelebt. Durch unseren Umzug haben wir Platz für junge Familien geschaffen. Jetzt wohnen dort insgesamt 22 Personen“, betont Hermann Klasen den zusätzlich­en sozialen Aspekt dieses Konzepts. „Auf diese Weise kann der Zersiedelu­ng und dem Wohnraumma­ngel speziell für junge Familien entgegenge­wirkt werden“, ermutigt er auch andere ältere Menschen zu einem solchen Schritt. Dennoch geben beide zu bedenken, dass man genau damit nicht zu lange warten sollte. „Je älter man wird, umso schwierige­r wird es, sein bisheriges Umfeld zu verlassen, Neues zu wagen und sich auf die Gemeinscha­ft mit anderen Menschen einzulasse­n.“Und wenn es nicht passt? „Dann haben wir es jedenfalls versucht“, sind sich Sabine Bigge und Hermann Klasen einig.

@ Mehr Informatio­nen unter: www.wohnprojek­te-portal.de/projektsuc­he/projekt-22883/ oder kreaktivol.wordpress.com

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BILD: Melanie Jülisch

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