So soll die Belarus-Route gekappt werden
Seehofer warnt vor Lukaschenkos „Schleusertätigkeit“– Kein Vergleich zu 2015/2016
Berlin – Tausende Menschen aus dem Irak, Syrien und anderen Krisengebieten sind seit dem Sommer über Belarus und Polen unerlaubt nach Deutschland gekommen. Allein in den vergangenen Wochen hätten sich die Zahlen verdrei- oder vervierfacht, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer am Mittwoch in Berlin. „Und wir wissen aus der Geschichte, wenn solche Situationen nicht politisch bewältigt werden, dann gehen die Zahlen weiter dynamisch hoch.“Doch einfache Lösungen sind nicht in Sicht. Im Mai kündigte der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko als Reaktion auf EUSanktionen an, künftig Migranten in Richtung Europäische Union nicht mehr aufzuhalten. Aus Sicht der EU geht Lukaschenko noch viel weiter. „In Belarus und durch Belarus findet eine staatlich organisierte, zumindest unterstützte Schleusertätigkeit statt“, sagte Seehofer (CSU). Ein Überblick:
Was plant Innenminister Seehofer nun ?
Seehofer sagte, es seien bereits acht Hundertschaften der Bundespolizei zur Grenze nach Polen verlegt worden und er sei bereit, noch mehr zu tun. Seinem polnischen Kollegen Mariusz Kaminski schlug er gemeinsame Streifen deutscher und polnischer Grenzschützer vor, und zwar vorwiegend auf polnischer Seite, um die illegale Einreise nach Deutschland zu verhindern. Er gehe davon aus, dass dies in Warschau positiv aufgenommen werde, sagte Seehofer und fügte hinzu: „Eine Schließung der Grenze (…) ist von niemandem beabsichtigt.“
Lassen sich die Zahlen so reduzieren ?
Unerlaubte Einreisen von Asylbewerbern nach Deutschland würden deutsch-polnische Streifen wohl nicht verhindern, sondern höchstens reduzieren. Die gemeinsamen Patrouillen könnten aber helfen, dass mehr Schutzsuchende in Polen registriert werden. Dann wäre Polen in den meisten Fällen auch für das Asylverfahren zuständig. Das könnte abschreckend wirken. Denn jene, die sich auf den Weg über Belarus machen, wollen meist nicht in Polen bleiben, sondern nach Deutschland oder in andere westeuropäische Länder.
Ist die Lage mit 2015 oder 2016 vergleichbar ?
Nein, sagte Seehofer: Die Zahlen sind viel niedriger. Für 2015 bilanzierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
476 649 Erst- und Folgeanträge um Asyl. 2016 waren es allein 722 370 Erstanträge. 2021 meldete das Bamf bis Ende September 100 278 Erstanträge – davon waren laut Seehofer nur rund 80 000 von Neuankömmlingen, die übrigen für hier geborene Kinder von Asylbewerberinnen. Die meisten Schutzsuchenden kamen auch nicht über Belarus, sondern waren bereits registrierte Asylbewerber oder Asylberechtigte aus Griechenland. Dennoch warnt Seehofer vor Dynamik auf der neuen Strecke.
Was plant der belarussische Machthaber ?
Der Machthaber bestreitet jede Verantwortung. Klar ist: Belarus lässt Bürger aus 76 Ländern ohne Visum oder zumindest ohne größere Einschränkungen einreisen. Nach Seehofers Worten wurde die Liste der Länder, aus denen Bürger visumfrei einreisen dürfen, gerade erst erweitert, unter anderem um Pakistan und Iran. Aus Belarus selbst gibt es aber Berichte über angebliche Beschränkungen. Denn für Belarus deuten sich Schwierigkeiten an wegen der vielen Eingereisten, die in Belarus festsitzen. Es sollen etwa 15 000 Menschen sein, die auf ihre Chance zur Weiterreise warten.