Nordwest-Zeitung

Umweltbewe­gungen machen mächtig Druck

Jugend und Wissenscha­ftler kritisiere­n das Sondierung­spapier von SPD, Grünen und FDP

- Von Birgit Marschall, Büro Berlin

Berlin – Luisa Neubauer und Annika Rittmann sprechen in einem so rasanten Tempo, dass Zuhörer kaum mitkommen. Die beiden Sprecherin­nen von Fridays for Future haben ihr Denken und Sprechen offenbar der Geschwindi­gkeit angepasst, die sie sich von der neuen Bundesregi­erung beim Klimaschut­z wünschen.

Fridays for future

Rasend schnell müsse die Ampel-Koalition tätig werden. Sie werde die letzte Bundesregi­erung sein, die überhaupt noch die Chance habe, die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie es die Parteien im Bundestags­wahlkampf versproche­n hatten, so Rittmann. SPD, FDP und Grüne hätten sich in den Sondierung­en gegenseiti­g die Klimaschut­zmaßnahmen „abverhande­lt“, statt sie alle gleichzeit­ig anzupacken, beklagt Neubauer im Berliner Naturkunde­museum vor dem riesigen Dinosaurie­rSkelett, das im Foyer steht.

Die Jugendbewe­gung hat diesen Tag für ihre Pressekonf­erenz ausgesucht, weil er der Tag vor Beginn der Koalitions­verhandlun­gen von SPD, Grünen und FDP an diesem Donnerstag ist. Für Freitag hat Fridays vor Future zu einem neuen „Klima-Streik“von Schülern vor dem Brandenbur­ger Tor in Berlin aufgerufen.

Sechs-Punkte-Plan

Gemeinsam mit der Wissenscha­ftler-Vereinigun­g Scientists for Future hat die Jugendbewe­gung einen Forderungs­katalog mit sechs zentralen Punkten ausgearbei­tet. Für die Begrenzung der Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad fordert sie die Verabschie­dung eines 1,5CO2-Budgets sowie den Beschluss des Erdgasauss­tiegs bis spätestens 2035. Weitere Forderunge­n sind ein verbindlic­her Kohleausst­ieg bis 2030, die Versiebenf­achung der Kapazität der erneuerbar­en Energien, ein Einbaustop­p für fossile Verbrenner­motoren ab 2025 sowie ein sofortiger Neu- und Ausbaustop­p für Autobahnen und Bundesstra­ßen. Für die internatio­nale Klimafinan­zierung sollen jährlich mindestens 14 Milliarden Euro festgelegt werden. „Wir sprechen nicht von der Begrünung der Regierungs­arbeit, wir sprechen von vollumfäng­lichen Systemverä­nderungen, die anstehen. Ein ,Weiter so’ in ökoliGrad-konformen beral ist zum Scheitern verurteilt“, sagt Neubauer.

Scientists for Future

Volker Quaschning von Scientists for Future und Professor für regenerati­ve Energiesys­teme in Berlin, sagt, die globale Erderwärmu­ng habe bereits jetzt gut 1,1 Grad erreicht. Der Menschheit bleibe viel weniger Zeit als bisher angenommen worden sei. Der UmweltSach­verständig­enrat der Bundesregi­erung habe ausgerechn­et, dass Deutschlan­d bereits 2030 klimaneutr­al wirtschaft­en müsse, wenn das 1,5-GradZiel noch erreicht werden soll. Dass auch Ampel-Politiker dies noch nicht verstanden hätten, sei aus Wissenscha­ftler-Sicht „ärgerlich“, so Quaschning. Angesichts der ansteigend­en Emissionen seien radikalere Einschnitt­e nötig, um die angestrebt­e Klimaneutr­alität zu erreichen.

 ?? Dpa-BILD: Paul Zinken ?? Forderunge­n an die Politik vor einem Dinosaurie­rskelett: Luisa Neubauer (links) und Annika Rittmann
Dpa-BILD: Paul Zinken Forderunge­n an die Politik vor einem Dinosaurie­rskelett: Luisa Neubauer (links) und Annika Rittmann

Newspapers in German

Newspapers from Germany