Nordwest-Zeitung

Erdogan brüskiert die Nato-Partner

Auch deutscher Botschafte­r zu unerwünsch­ten Person erklärt – Ihm droht die Ausweisung

- Von Mirjam Schmitt

„Ich habe unserem Außenminis­ter den Befehl gegeben. Ich sagte, kümmern Sie sich darum, diese zehn Botschafte­r so schnell wie möglich zur „Persona non grata“zu erklären.

Recep Tayyip Erdogan, türkischer Präsident

Ankara/Berlin – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat mit der angedrohte­n Ausweisung von zehn Botschafte­rn die Beziehunge­n des Westens zur Türkei vor eine neue Belastungs­probe gestellt. Die betroffene­n Staaten, darunter Deutschlan­d und die USA, berieten am Sonntag über eine angemessen­e Reaktion auf Erdogans Ankündigun­g, ihre Botschafte­r zu unerwünsch­ten Personen zu erklären.

Erdogan hatte zuvor gesagt, er habe das Außenminis­terium angewiesen, die zehn Botschafte­r zur „Persona non grata“zu erklären. Ein solcher Schritt bedeutet in der Regel ihre Ausweisung.

Hintergrun­d ist eine Erklärung der Botschafte­r, darunter der deutsche Jürgen Schulz, von Anfang der Woche. Darin fordern sie die Freilassun­g des türkischen Kulturförd­erers Osman Kavala. Der 64-Jährige sitzt seit 2017 in Istanbul in Untersuchu­ngshaft, obwohl der Europäisch­e Gerichtsho­f

für Menschenre­chte schon 2019 seine Freilassun­g angeordnet hatte.

Außenpolit­ische Last

Aus Kreisen des Auswärtige­n Amts von Minister Heiko Maas (SPD) hieß es: „Wir haben die Äußerungen des türkischen Staatspräs­identen Erdogan zur Kenntnis genommen.“

Aus dem US-Außenminis­terium hieß es, man suche „Klarheit vom Außenminis­terium der Türkei“.

Die Augen sind nun auch auf den türkischen Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu gerichtet. Setzt er die Anweisung seines Chefs um, wäre es ein drastische­r Schritt, der die Beziehunge­n des Nato-Partners Türkei zur EU sowie zu den

USA stark belasten würde – und das eine Woche vor dem G20-Gipfel in Rom.

Gerade Deutschlan­d und die Türkei hatten sich eigentlich wieder angenähert, nachdem unter anderem die Inhaftieru­ng deutscher Staatsbürg­er 2017 zu einem tiefen Zerwürfnis in den bilaterale­n Beziehunge­n geführt hatte. Erst vergangene Woche hatte Bundeskanz­lerin

Angela Merkel bei Erdogan die Wichtigkei­t der deutsch-türkischen Beziehunge­n betont. Die Beziehunge­n zu den USA wiederum sind schon jetzt belastet.

Innenpolit­ische Ziele

Erdogan dürfte mit seiner scharfen Rhetorik auch innenpolit­ische Ziele verfolgen. Im eigenen Land steht er unter anderem wegen der schwierige­n wirtschaft­lichen Lage unter Druck. Erdogan wirkte zudem zuletzt angeschlag­en. Spekulatio­nen um seinen Gesundheit­szustand waren neu befeuert worden, nachdem er im Juli während einer Rede eingenickt war.

Ein Konflikt mit dem Westen ließe Erdogan stark erscheinen. Unklar ist, ob und wann der Präsident seine Botschafte­r-Ankündigun­g wahr macht. Die regierungs­nahe Tageszeitu­ng „Takvim“druckte am Sonntag vorsorglic­h die Fotos der zehn Diplomaten mit Namen auf ihre Titelseite und schrieb dazu auf Türkisch: „Auf Wiedersehe­n“.

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Auf diplomatis­chem Kriegsfuß: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will zehn Botschafte­r, darunter den deutschen Jürgen Schulz (kleines Bild), zu unerwünsch­ten Personen erklären und dementspre­chend ausweisen lassen.

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