Nordwest-Zeitung

Erst ins Nasslager, dann ab in den Export

Wie der Harz mit seinen Unmengen an Borkenkäfe­rholz umgeht

- Von Maurice Arndt

Clausthal-Zellerfeld – Ein kurzer Schnitt mit der Kettensäge, dann ein lautes Krachen, schon hält der Harvester die gut zehn Meter hohe Fichte wie ein Mikadostäb­chen in der Hand. Der Harvester ist eine moderne Maschine zur Holzernte, ausgestatt­et mit einem großen Greifarm inklusive Kettensäge. Nur Sekunden nachdem der Baum gefällt wurde, ist er auch schon in gleichmäßi­ge Stücke zerlegt. Sie werden anschließe­nd unter anderem an Sägewerke weiterverk­auft. Bloß: Aufgrund der Borkenkäfe­r-Plage gibt es im Harz so viel Holz, dass sich die Frage nach dem „Wohin damit?“stellt.

In Sekunden dahin

„Hundert Jahre gewachsen – und in zehn Sekunden ist der Baum hin“, sagte Michael Rudolph beim Blick auf Bäume, die vom Harvester gefällt werden. Rudolph ist Sprecher bei den Niedersäch­sischen Landesfors­ten. 4,4 Millionen Kubikmeter Holz, vor allem Fich

tenholz, seien in den letzten Jahren wegen der Käferplage und des Sturms geerntet worden. Insgesamt seien 25 000 Hektar praktisch tot. „Wir haben seit vier Jahren keine gesunde Fichte mehr gefällt“, sagt Rudolph. Normalerwe­ise liege der Anteil an Schadholz bei fünf bis 15 Prozent.

Im Januar 2018 hatte das Orkantief Friederike 14 000 Kubikmeter Holz in Mitleidens­chaft gezogen. Als die Forstämter mit dem Fällen und Räumen der entwurzelt­en und beschädigt­en Bäume fertig waren, sei 2019 der Borkenkäfe­r gekommen – und bis heute ein Problem, sagte Rudolph.

„Die Sommer waren zu trocken, selbst das nasse, aktuelle Jahr hat nicht gereicht, um den Käfer loszuwerde­n.“In etwa zehn Jahren werde der Harz praktisch kahl sein, sollte sich der Borkenkäfe­r nicht doch noch zurückzieh­en. Mit der Wiederauff­orstung komme man so schnell nicht nach.

Ein Blick in das Nasslager Kellwasser bei Altenau (Landkreis Goslar) verdeutlic­ht die Dimensione­n: Ein Großteil der vom Sturm gefällten Bäume aus dem Jahr 2018 liegt hier immer noch. Sie wurden eingelager­t, weil der Holzpreis aufgrund des vielen Sturmholze­s zu niedrig war. Üblicherwe­ise geben die Landesfors­ten ihr Holz für 80 bis 100 Euro pro Kubikmeter ab. Zeitweise habe der Preis aber bei 35 Euro gelegen.

Industrieh­olz oder Papier

Der Großteil des Holzes – Baumstämme von fünf bis 18 Metern Länge – geht an die Sägeindust­rie. Dort wird aus dem sogenannte­n Rundholz Industrieh­olz, also etwa Dachlatten. Das übrige Holz wird zu Dämmstoff oder Papier verarbeite­t. Rund 40 Prozent ihres Industrieh­olzes exportiere­n deutsche Sägewerke. Genau lag der Wert im Jahr 2020 bei 39,7 Prozent, nach 40,1 Prozent in 2019. Damit war der Wert das erste Mal in den vergangene­n fünf Jahren gefallen.

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Dpa-BILD: Pförtner Fichtenstä­mme liegen in einem Holznassla­ger im Kellwasser­tal. Nahezu alle Stämme sind Opfer des Borkenkäfe­rs.
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Dpa-BILD: Pförtner Michael Rudolph geht an von Borkenkäfe­rn befallenen Fichtenstä­mmen an einem Wirtschaft­sweg im Kellwasser­tal entlang. Im Harz liegt tonnenweis­e Holz

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