Blick in den Motorraum von Bayreuth
Dokumentarfilm von Axel Brüggemann zu den Wagner-Festspielen startet am 28. Oktober
Regisseur Axel Brüggemann bringt einen Dokumentarfilm über die Bayreuther RichardWagner-Festspiele und das Phänomen Wagner ins Kino. Im Interview spricht er über seine Beweggründe.
Warum haben die Bayreuther Festspiele einen Dokumentarfilm verdient?
Axel Brüggemann: Ich weiß gar nicht, ob die Bayreuther Festspiele die Doku verdient haben. Vielleicht eher die Wagner-Fans, die endlich hinter die Kulissen der Festspiele, in den Motorraum von Bayreuth blicken können. Sie können zum ersten Mal Christian Thielemann hautnah erleben oder Katharina Wagner beim Regieführen sehen. Seit einigen Jahren öffnen sich die Festspiele, versuchen, dem Anspruch von Richard Wagner gerecht zu werden: Oper für alle! Und das ist letztlich auch der Anspruch des Filmes: Ich möchte zeigen, dass die Bayreuther Festspiele auf der einen Seite „Höchst“-Kultur sind, auf der anderen Seite vollkommen bodenständig – dass Oper sowohl den Geist als auch das konkrete Leben der Menschen beeinflussen kann.
Haben Sie das Phänomen Wagner verstanden? Brüggemann: Was ich verstanden habe, ist, dass Wagner eine permanente Ambivalenz bedeutet: Warum verehren Faschisten, Kommunisten und Demokraten seine Musik? Warum Christen, Moslems und Juden? Ich glaube, dass Wagner eine Ego-Religion geschaffen hat: Seine Haltung änderte sich stets mit seiner persönlichen Situation. War er pleite, wollte er das Geld abschaffen.
Unterstützte ihn Ludwig II., war er Monarchist. Später wehrte seine Familie sich nicht gegen die Annexion der Nazis, und heute ist Bayreuth Wohnzimmer der bundesrepublikanischen Demokratie, nicht zuletzt durch Angela Merkel. Bayreuth ist ein Spiegel der deutschen Seele geworden.
Und dessen Jünger? Brüggemann: Das war für
mich die eigentliche Erkenntnis: Was verbindet einen der reichsten japanischen SuperManager, der eine WagnerKinderoper auf die Beine stellt, mit einem schwarzen Bariton aus New Jersey, der den ersten „Ring“für People of Colour stemmt, mit einem muslimischen Scheich aus Abu Dhabi und einem jüdischen Flüchtlingssohn aus Tel Aviv? Sie alle sind leidenschaftliche Wagnerianer und haben ihren ganz individuellen Blick auf Wagners Werk. Was sie alle verbindet: Unendliche Leidenschaft, Empathie, Sehnsüchte. Der Film sollte einmal „Weltreligion Wagner“heißen – und ich persönlich finde, dass dieser Titel noch immer eine Berechtigung hat.
Wie war die Arbeit in Bayreuth für Sie? Brüggemann: Es ist selten, dass Medien-Menschen sich so frei in Bayreuth bewegen dürfen wie wir. Mich begeistert in Bayreuth die Immunität gegen jeden Dünkel. Hier arbeiten alle leidenschaftlich an der Musik.
Wie sehen Sie die Chancen, dass die Festspiele jünger werden können? Brüggemann: Ich habe die letzten zehn Jahre der Bayreuther Festspiele sehr genau verfolgt, die Anstrengungen, Wagner zugänglich zu machen, durch Freiluft-Aufführungen, KinoÜbertragungen, ein besonders Fernseh-Pausenprogramm oder die Kinderoper. Angebote, die früher undenkbar gewesen wären und heute sehr erfolgreich sind. Ich finde, dass besonders Katharina Wagner ein sehr gutes Händchen beweist, Oper ins Jetzt zu stellen. Ich kenne keine anderen Festspiele, die so viele Akzente ins Heute setzen. Letztlich ist ja auch der Film „Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt“der Versuch, Wagner in unsere Zeit zu stellen – zum Schmunzeln, zum Hadern und, natürlich, auch zum Freuen.