Nordwest-Zeitung

Lebenslang auf der Suche nach der eigenen Identität

Trio vertont Gedichte von Mascha Kaléko – Leben der Künstlerin geprägt von Flucht und Exil

- Von Oliver Schulz

Oldenburg – Da dieser Tage so oft der Blick auf Identität gerichtet wird, soll hier von Mascha Kaléko die Rede sein. 1907 als Golda Malka Aufen in Schidlow – am Rande der damaligen Donaumonar­chie – als Tochter eines russischen Vaters und einer österreich­ischen Mutter geboren, fand Mascha erst in Berlin, wohin die Familie nach Kriegsende umgezogen war, eine Heimat. Woher sie stammte, verschwieg die junge Autorin lieber: Denn aus Galizien stammte man nicht, ohne das Naserümpfe­n der Westeuropä­er zu riskieren.

Teil der Berliner Bohème

In Berlin gehörte sie zur Künstlerbo­hème, die sich Ende der Zwanziger- und Anfang der Dreißigerj­ahre das „Romanische Café“zum Domizil erkoren hatte. Hier tummelten sich die Kreativen, die Maler, Schauspiel­er und Literaten wie Tucholsky, Ringelnatz, Klabund, Kästner, ebenso Else Lasker-Schüler und Walter

Sie fabulierte­n drinnen von einer besseren Welt, derweil draußen Kommuniste­n und Faschisten ihre eigenen, radikalen Lösungen offerierte­n.

Als Mascha mit ihren lyrischen Texten erste Erfolge landete, marschiert­en die Nazis durchs Reich und machten den Andersseie­nden das Leben zur Hölle auf Erden. 1938 ließ sie sich von dem Philolo

gen Saul Kaléko scheiden und emigrierte mit ihrem zweiten Mann, dem Musiker Chemjo Vinaver, sowie dem gemeinsame­n Sohn nach New York. Sie starb am 21. Januar 1975 in Jerusalem.

Mit Lyrik Deutsch gelernt

Gut 45 Jahre später kommt Vladimir Bolschakov ins Spiel. Der in Russland aufgewachs­eMehring.

ne Gitarrist hat die Texte von Mascha Kaléko vertont und als Lieder in unterschie­dlichen Stilen musikalisc­h arrangiert. Den Anstoß gab seine Frau Barbara, die ihm einst den Gedichtban­d „Mein Lied geht weiter“schenkte, womit er seine Deutschken­ntnisse erheblich erweitern konnte.

In der Pandemie-Zeit hat er gemeinsam mit dem Schlagzeug­er Thomas Hempel und

dem Oldenburge­r Bassisten Helmut Reuter – den Musikfreun­den aus den Formatione­n Sweet Sugar Swing, Tin Tin Deo und Jorge Luis Pacheco Quartett bekannt – eine CD aufgenomme­n und nach umfangreic­hen Verhandlun­gen mit dem dtv-Verlag und der Rechteinha­berin Gisela ZochWestph­al veröffentl­icht (kosmopolit records). Das neue Album ist im Handel erhältlich.

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BILD: BHR Trio Vertonten Gedichte von Mascha Kaléko (von links): Helmut Reuter, Vladimir Bolschakov und Thomas Hempel

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