Nordwest-Zeitung

„Ein Himmel voller Eskimos“

Michaela Beck

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Oldenburg/lr – Die 13-jährige Martha ist Teil einer Großund Patchworkf­amilie. Ersteres ist kein Problem, Zweiteres schon: Ihre Familie sei wie ein Kefirpilz, auf den man täglich Milch schütte, lässt Michaela Beck ihre Ich-Erzählerin auf den ersten Seiten des Comingof-Age-Romans „Ein Himmel voller Eskimos“erklären. Der Pilz wachse immer weiter, auch wenn längst niemand mehr Kefir wolle.

Damit ist nicht nur das Thema des Romans umrissen, sondern vor allem die unge- wöhnliche Perspektiv­e auf Marthas bunte Familie: Die meisten Erwachsene­n, so Martha, seien sofort interessie­rt, ein Lächeln husche über ihr Gesicht, wenn sie den an Rosamunde-Pilcher-Verfilmung­en oder bunte Quilts erinnernde­n Begriff der Patchworkf­amilie hörten. Für Martha und ihre Halbbrüder bedeute er jedoch ein Flickwerk aus Resten – aus Personen, die sonst nirgendwo mehr dazu gehörten, wie die Väter ihrer Halbbrüder, die Eltern dieser, oder deren Exfrauen oder Geschwiste­r.

In Ermangelun­g anderer Kinder und Enkel möchten diese Angehörige­n nun alle zu ihrem Recht kommen, wodurch die Zeit von Martha und ihren Geschwiste­rn minutiös durchgetak­tet und in lauter kleine Einheiten zerhackt sei. Hinter diesen organisato­rischen und logistisch­en Schwierigk­eiten steht Marthas Sehnsucht nach äußerer und innerer Einheit, nach Zugehörigk­eit, konkretisi­ert in der Suche

nach ihrem unbekannte­n Vater, der seit ihrer Kindheit auf ihrem Weihnachts­wunschzett­el steht. Das ist kaum mit den Herausford­erungen des Heranwachs­ens in Einklang zu bringen, mit der, wie Marthas Freundin Chloé sagt, verrückten, wilden Zeit, von der sie später alle schwärmen und die nie, nie wiederkomm­t.

„Voll Sprachwitz, Ironie und Humor lässt Autorin Michaela Beck Martha von ihrer Familie, von den kleinen und großen (Patchwork-)Problemen erzählen“, schreibt die Jury. Als Drehbuchau­torin für Film und Fernsehen hat sie ihr Handwerk gelernt und weiß dies nicht nur in puncto Dramaturgi­e und Timing um- und einzusetze­n: Besonders sind ihr die inneren Monologe ihrer Protagonis­tinnen und Protagonis­ten gelungen, die Dialoge der kleinen und großen Helden, bei denen sie stets den richtigen Ton trifft.

 ?? BILD: Jürgen Elsner ?? Michaela Beck ist ebenfalls für den Kinder- und Jugendbuch­preis 2021 in Oldenburg nominiert.
BILD: Jürgen Elsner Michaela Beck ist ebenfalls für den Kinder- und Jugendbuch­preis 2021 in Oldenburg nominiert.

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