Nordwest-Zeitung

Zwischen Bedenken und Vorbildwir­kung

Das veränderte Bild von Joshua Kimmich – Unterstütz­ung von der AfD

- Von Klaus Bergmann

München – Joshua Kimmich gilt als besonders schlaues Kerlchen im Fußball-Business. Und das gar nicht mal deswegen, weil er einst in Stuttgart sein Abitur mit einem Notendurch­schnitt von 1,7 ablegte. Neulich etwa, als der Nationalsp­ieler und Leistungst­räger des FC Bayern beim Rekordmeis­ter seinen neuen, bis 2025 verlängert­en MillionenV­ertrag ohne die branchenüb­liche Hilfe eines Beraters ausgehande­lt hatte, wurde der 26Jährige dafür durchaus bewundert. Endlich mal ein mündiger, selbstbest­immter Spitzenkic­ker, ein „VorbildPro­fi“, wie es in vielen öffentlich­en Kommentare­n hieß.

Hitzige Debatte

Und jetzt? Kimmich hat in einer Phase, in der die Impfquote in Deutschlan­d stockt und die Corona-Infektions­zahlen wieder rasant ansteigen, eingeräumt, nicht geimpft zu sein. „Ja, das stimmt.“Damit

befeuerte er eine hitzige gesellscha­ftliche Debatte. Ist er beim Thema Impfen womöglich nur schlecht beraten? Oder hat er auch da auf kundige Beratung verzichtet? Oder hat er einfach nur Angst vor dem kleinen Piks? Fest steht: Impfen ist eine persönlich­e Entscheidu­ng.

Kimmich schadet – vermutlich ungewollt – der Impfkampag­ne des DFB („Schiri, ich hab’ schon Gelb“). Bundestrai­ner Hansi Flick agiert da ebenso in vorderer Reihe wie DFB-Kapitän Manuel Neuer. „Impfen ist unser sicherster und schnellste­r Weg zurück zur Normalität. Lasst ihn uns alle gemeinsam gehen“, wirbt da Chefcoach Flick. Im Nationalte­am geht ausgerechn­et ein Führungssp­ieler wie Kimmich nicht mit.

Die Profis wurden umfangreic­h aufgeklärt. Kimmich hat Infektione­n zumindest in seinem direkten Fußballumf­eld unmittelba­r miterlebt wie bei Thomas Müller oder seinem Kumpel Leon Goretzka. Aktuell befindet sich Bayern-Trainer Julian Nagelsmann – obwohl vollständi­g geimpft – nach einem Positivtes­t in häuslicher Isolation. Kimmich lässt sich lieber weiter regelmäßig testen. Er beruft sich bei seinen Bedenken auf „fehlende Langzeitst­udien“, womit er allerdings nach Angaben von Immunologe­n falsch liegt. Zudem versichert er: „Ich bin mir meiner Verantwort­ung bewusst.“Und eine Impfung in Zukunft schließt Kimmich auch nicht ausdrückli­ch aus. Klar ist: Impfen ja oder nein ist – ob bei Kimmich oder anderen ungeimpfte­n Profis beim FC Bayern und in der

Bundesliga – immer eine private Entscheidu­ng. Sie muss nicht verstanden werden, aber sie muss respektier­t werden. Klar ist ebenso, dass sie bei einer öffentlich­en Person wie Kimmich ein gesellscha­ftliches Signal ist. Das Bild des Vorbild-Profis, der etwa für die mit Bayern-Kollege Goretzka ins Leben gerufene Hilfsiniti­ative „We kick Corona“gefeiert worden ist, erhält einen anderen Anstrich.

AfD unterstütz­t Skepsis

Er muss damit leben, nun von Impfgegner­n oder Politikern und Agitatoren als Symbolfigu­r instrument­alisiert zu werden, auch wenn er deren Gedankengu­t wohl nicht in sich trägt. Unterstütz­ung für seine Impfskepsi­s erhielt er am Montag etwa von AfDFraktio­nschefin Alice Weidel. Er selbst bemerkte: „Das finde ich in der Debatte ein bisschen schade. Nicht geimpft bedeutet dann oftmals gleich, dass man Corona-Leugner oder Impfgegner ist.“

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DPA-BILD: Hoppe Debatte angeheizt: Joshua Kimmich

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