Urteil stärkt Handhabe gegen Abmahnindustrie
Oberlandesgericht Oldenburg bestätigt Entscheidung vom Landgericht Osnabrück
Eine Abfindung, die einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt worden ist, unterliegt der Lohnsteuer und kann nicht zur Aufstockung eines Wertguthabenkontos (Zeitwertkonto) genutzt werden. Es liege kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt vor. Die den an dem „Freiwilligenprogramm“teilnehmenden Arbeitnehmern eingeräumte Möglichkeit, die Abfindung in das Langzeitkonto einzubringen, wurde vom Finanzgericht Berlin-Brandenburg „einkassiert“. Denn Abfindungen aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien lohnsteuerrechtlicher Arbeitslohn (FG Berlin-Brandenburg, 4 K 4206/18).
Oldenburg/Osnabrück – Es könnte ein richtungsweisendes Urteil für die Wirtschaft im Umgang mit Massen-Abmahnungen sein. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat nun in zweiter Instanz ein Urteil des Landgerichts Osnabrück bestätigt und damit Unternehmen den Rücken gestärkt gegenüber Abmahnverbänden und Kanzleien: Aus dem Urteil geht hervor, dass, wer eine Firma abmahnt, spätestens mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dem Gericht offenlegen muss, ob zeitgleich eine große Anzahl ähnlicher Abmahnungen verschickt wurde (Az.: 6 U 248/21). Das berichtete die „Neue Osnabrücker Zeitung“(NOZ).
Fehlendes Zertifikat
Recht bekommen hatte ein Osnabrücker Unternehmer, der einen Online-Shop für Werbeartikel betreibt. Da ihm jedoch für den Verkauf bestimmter Bio-Produkte ein Bio-/Öko-Zertifikat auf der Internetseite fehlte, erhielt er Anfang Dezember 2020 ein Abmahnschreiben einer Anwaltskanzlei im Auftrag eines Hamburger Wettbewerbers. Er nahm daraufhin alle Bio-Artikel vorübergehend aus dem Sortiment und beantragte das fehlende Zertifikat, unterschrieb jedoch nicht die geforderte Unterlassungserklärung. Wie sich herausstellte, sei ein ähnliches von dem Hamburger Konkurrenten veranlasstes anwaltliches Abmahnschreiben an mehr als 50 andere Händler verschickt worden, heißt es in dem Bericht.
Abmahnverbände und Kanzleien hatten in der Vergangenheit vor allem aufgrund fehlender Zertifikate auf Internetseiten oder der Datenschutzgrundverordnung viele Unternehmen gleichzeitig wegen Verstößen abgemahnt und Gebühren eingefordert. Im Fall des Osnabrücker Unternehmers wurde die Abmahnung vom Gericht als rechtsmissbräuchlich eingestuft, da für ihn nicht zu erkennen gewesen sei bzw. der Mitbewerber beim Antrag auf einstweilige Verfügung nicht dargelegt habe, dass mehrere gleichlautende bzw. vom Sinn her vergleichbare Abmahnungen in kurzem Abstand an mehrere Händler verschickt worden seien. Auch die geforderte Vertragsstrafe in Höhe von 10 000 Euro hat das Landgericht Osnabrück als „offensichtlich überhöht“bewertet. Die Berufung wurde nach einem „Hinweisbeschluss“des OLG Oldenburg zur Rechtslage zurückgenommen.
„Großer Schritt“
„Für die mittelständische
Wirtschaft ist diese neue Rechtsprechung aus Osnabrück und Oldenburg ein großer Schritt in die richtige Richtung“, sagte Rechtsanwalt Dr. Marcus von Welser, der den Osnabrücker Unternehmer vertritt, gegenüber der „NOZ“. Der Bundestag hatte im Jahr 2020 das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“(UWG) auf den Weg gebracht, um der Abmahnindustrie Einhalt zu gebieten. Da jedoch zwei andere Oberlandesgerichte zuvor zurückhaltender bei der Umsetzung der UWGReform waren, seien die Entscheidungen aus Osnabrück und Oldenburg so bemerkenswert, so der Anwalt weiter in der Zeitung.