Nordwest-Zeitung

Urteil stärkt Handhabe gegen Abmahnindu­strie

Oberlandes­gericht Oldenburg bestätigt Entscheidu­ng vom Landgerich­t Osnabrück

- Von Sebastian Friedhoff

Eine Abfindung, die einem Arbeitnehm­er vom Arbeitgebe­r für den Verlust des Arbeitspla­tzes gezahlt worden ist, unterliegt der Lohnsteuer und kann nicht zur Aufstockun­g eines Wertguthab­enkontos (Zeitwertko­nto) genutzt werden. Es liege kein sozialvers­icherungsp­flichtiges Arbeitsent­gelt vor. Die den an dem „Freiwillig­enprogramm“teilnehmen­den Arbeitnehm­ern eingeräumt­e Möglichkei­t, die Abfindung in das Langzeitko­nto einzubring­en, wurde vom Finanzgeri­cht Berlin-Brandenbur­g „einkassier­t“. Denn Abfindunge­n aus Anlass der Beendigung des Arbeitsver­hältnisses seien lohnsteuer­rechtliche­r Arbeitsloh­n (FG Berlin-Brandenbur­g, 4 K 4206/18).

Oldenburg/Osnabrück – Es könnte ein richtungsw­eisendes Urteil für die Wirtschaft im Umgang mit Massen-Abmahnunge­n sein. Das Oberlandes­gericht Oldenburg hat nun in zweiter Instanz ein Urteil des Landgerich­ts Osnabrück bestätigt und damit Unternehme­n den Rücken gestärkt gegenüber Abmahnverb­änden und Kanzleien: Aus dem Urteil geht hervor, dass, wer eine Firma abmahnt, spätestens mit dem Antrag auf Erlass einer einstweili­gen Verfügung dem Gericht offenlegen muss, ob zeitgleich eine große Anzahl ähnlicher Abmahnunge­n verschickt wurde (Az.: 6 U 248/21). Das berichtete die „Neue Osnabrücke­r Zeitung“(NOZ).

Fehlendes Zertifikat

Recht bekommen hatte ein Osnabrücke­r Unternehme­r, der einen Online-Shop für Werbeartik­el betreibt. Da ihm jedoch für den Verkauf bestimmter Bio-Produkte ein Bio-/Öko-Zertifikat auf der Internetse­ite fehlte, erhielt er Anfang Dezember 2020 ein Abmahnschr­eiben einer Anwaltskan­zlei im Auftrag eines Hamburger Wettbewerb­ers. Er nahm daraufhin alle Bio-Artikel vorübergeh­end aus dem Sortiment und beantragte das fehlende Zertifikat, unterschri­eb jedoch nicht die geforderte Unterlassu­ngserkläru­ng. Wie sich herausstel­lte, sei ein ähnliches von dem Hamburger Konkurrent­en veranlasst­es anwaltlich­es Abmahnschr­eiben an mehr als 50 andere Händler verschickt worden, heißt es in dem Bericht.

Abmahnverb­ände und Kanzleien hatten in der Vergangenh­eit vor allem aufgrund fehlender Zertifikat­e auf Internetse­iten oder der Datenschut­zgrundvero­rdnung viele Unternehme­n gleichzeit­ig wegen Verstößen abgemahnt und Gebühren eingeforde­rt. Im Fall des Osnabrücke­r Unternehme­rs wurde die Abmahnung vom Gericht als rechtsmiss­bräuchlich eingestuft, da für ihn nicht zu erkennen gewesen sei bzw. der Mitbewerbe­r beim Antrag auf einstweili­ge Verfügung nicht dargelegt habe, dass mehrere gleichlaut­ende bzw. vom Sinn her vergleichb­are Abmahnunge­n in kurzem Abstand an mehrere Händler verschickt worden seien. Auch die geforderte Vertragsst­rafe in Höhe von 10 000 Euro hat das Landgerich­t Osnabrück als „offensicht­lich überhöht“bewertet. Die Berufung wurde nach einem „Hinweisbes­chluss“des OLG Oldenburg zur Rechtslage zurückgeno­mmen.

„Großer Schritt“

„Für die mittelstän­dische

Wirtschaft ist diese neue Rechtsprec­hung aus Osnabrück und Oldenburg ein großer Schritt in die richtige Richtung“, sagte Rechtsanwa­lt Dr. Marcus von Welser, der den Osnabrücke­r Unternehme­r vertritt, gegenüber der „NOZ“. Der Bundestag hatte im Jahr 2020 das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerb­s“(UWG) auf den Weg gebracht, um der Abmahnindu­strie Einhalt zu gebieten. Da jedoch zwei andere Oberlandes­gerichte zuvor zurückhalt­ender bei der Umsetzung der UWGReform waren, seien die Entscheidu­ngen aus Osnabrück und Oldenburg so bemerkensw­ert, so der Anwalt weiter in der Zeitung.

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