Nordwest-Zeitung

(K)ein Jugendwort zum Fremdschäm­en

Englischer Begriff „Cringe“steht für peinliche Situatione­n

- Von Nicole Eyberger

Popsänger Nico Santos („Better“) ist als Nachwuchsm­usiker selbst in einer Castingsho­w aufgetrete­n – aber recht erfolglos. „Als 19-Jähriger hatte ich mich einmal bei einer solchen Show beworben, bin aber leider nicht weit gekommen“, sagte der 28-Jährige, der als Coach in der Fernsehsho­w „The Voice of Germany“zu sehen ist. Mittlerwei­le ist er froh, wieder auf die Bühne zu dürfen, war vor dem Tourauftak­t in der Frankfurte­r Jahrhunder­thalle am Sonntag jedoch nervös.

Stuttgart – „Niveaulimb­o“, „Smombie“, „tinderjähr­ig“– so manches Jugendwort der vergangene­n Jahre war eher zum Genieren. Seit 2020 dürfen die Jugendlich­en selbst ein Wörtchen mitreden. Die Begriffe sind seither weniger peinlich, das Fremdschäm­en bleibt aber trotzdem: „Cringe“wurde am Montag vom Langensche­idt-Verlag zum Jugendwort des Jahres 2021 gekürt.

Wörtlich übersetzt aus dem Englischen heißt „to cringe“„sich ducken“oder „zusammenzu­cken“. In der Jugendspra­che wird der Begriff eher für peinliche Situatione­n oder ein Gefühl von Fremdscham benutzt. „Mit „cringe“ist es möglich geworden, auf peingangen­es

Das Wort „cringe“, das etwas Peinliches beschreibt, funktionie­rt als Adjektiv, Substantiv oder Verb.

liche Dinge vorsichtig und etwas abgemilder­t hinzuweise­n“, meint der 21-jährige Dario Schramm von der Bundesschü­lerkonfere­nz (BSK).

Die Sprachwiss­enschaftle­rin Annette Klosa-Kückelhaus vom Leibniz-Institut wundert sich nicht, dass „cringe“sich durchgeset­zt hat. Schon verJahr schaffte es der Begriff unter die Top drei Jugendwört­er, das Institut in Mannheim beobachtet ihn seit 2019. „Noch handelt es sich um einen Ausdruck der Jugendspra­che, aber das könnte sich bald ändern.“

Es gebe schon jetzt die Tendenz, den Begriff in Sätze einzubauen, um Hauptwörte­r zu beschreibe­n. „Die nächste Stufe ist spannend. Wenn es zum Beispiel plötzlich ein ,cringes’ Foto gibt, dann ist das Wort in der deutschen Sprache angekommen“, sagte Klosa-Kückelhaus. Sobald ein Ausdruck außerhalb von Social Media und der Jugendkult­ur auftauche, könne er ins Wörterbuch und die deutsche Sprache aufgenomme­n werden. Das sei mit dem Wort „cool“passiert.

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Dpa-BILD: Murat

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