Nordwest-Zeitung

Bas startet bodenständ­ig ins Amt

SPD stellt neue Bundestags­präsidenti­n – Merkel nach 31 Jahren auf Ehrentribü­ne

- Von Tim Braune Büro Berlin

Berlin – Für ein paar Minuten ist der Kanzlerstu­hl für Armin Laschet wieder zum Greifen nah. Um 10.55 Uhr kommt der gescheiter­te Unionskanz­lerkandida­t hinter dem Pult des Bundestags­präsidente­n ins Plenum. Bis zum verwaisten Platz von Angela Merkel sind es nur gut drei Meter. Doch anders als für Wahlsieger Olaf Scholz wird für Laschet das Amt unerreichb­ar bleiben. Er hat so gut wie alles verloren. Seinen Ministerpr­äsidentenj­ob in NRW, bald wird er auch den CDU-Bundesvors­itz los sein.

Herz für Wahl-Verlierer

Erhalten hat sich der Aachener seine gute Laune. Zumindest wirkt es so bei der Eröffnungs­sitzung des 20. Deutschen Bundestage­s. Laschet plaudert lange mit dem Krefelder FDP-Finanzexpe­rten Otto Fricke. Dass der Mensch Laschet über Parteigren­zen geschätzt wird, zeigt die Herzlichke­it,

mit der ihn Claudia Roth begrüßt. Dann schlägt es 11 Uhr, und Laschet findet sich, nolens volens, in der zweiten Reihe wieder.

So wuselig, so eng war es im Bundestag noch nie. Fast bis zur letzten Minute wurde geschraubt und gebohrt, damit alle 736 Abgeordnet­e in der Herzkammer der Demokratie Platz finden. Weil die Parteien sich bislang nicht auf eine gescheite Wahlrechts­reform einigen konnten, hat Deutschlan­d jetzt ein teures XXL-Parlament. Weltweit leisten sich nur die Kommuniste­n in China eine größere Volksvertr­etung. Dafür ist der Bundestag bunter und jünger geworden. 83 Abgeordnet­e haben einen Migrations­hintergrun­d, 50 sind unter 30 Jahre.

Gelöste Kanzlerin

Die Noch-Kanzlerin und der Bundespräs­ident haben eine Ehrentribü­ne für sich. Merkel wirkt gelöst. Dabei ist es nach 16 Jahren für viele gewöhnungs­bedürftig, dass die einst mächtigste Frau der Welt nicht auf der Regierungs­bank zu sehen ist. Das liegt daran, dass Merkel nach 31 Jahren dem Bundestag nicht mehr angehört. Bis zur Wahl ihres Nachfolger­s bleibt sie geschäftsf­ührend im Amt. Oben tuschelt sie lächelnd mit Frank-Walter Steinmeier.

Wolfgang Schäuble ist neben Laschet einer der CDUWahlver­lierer. Da die SPD stärkste Kraft geworden ist, muss er seinen sicher geglaubten Posten als Bundestags­präsident für die Sozialdemo­kratin Bärbel Bas räumen. Die Gesundheit­sexpertin

aus Duisburg erhält 576 von 724 gültigen Stimmen. Das entspricht 79,6 Prozent. Danach türmen sich am Platz der 53-Jährigen so viele Blumensträ­uße auf, dass der neben Bas sitzende Scholz kurz nicht mehr zu sehen ist.

Als Alterspräs­ident darf Schäuble immerhin die konstituie­rende Sitzung eröffnen. Als eine Art Vermächtni­s schreibt Schäuble seiner Nachfolger­in und dem ganzen Hohen Haus ins Stammbuch, einen neuen Anlauf für eine Parlaments­verkleiner­ung zu machen.

Bas startet erfrischen­d in das Staatsamt. Anders als intellektu­elle Vorgänger wie Schäuble, Norbert Lammert oder Wolfgang Thierse will sie für einen bodenständ­igen Bundestag eintreten, „Hass und Hetze sind keine Meinung“, sagt sie, was als Ermahnung an die AfD verstanden werden kann. Noch nie sei ein Kind aus Duisburg so weit gekommen, „das musste ich zwischendu­rch einmal loswerden“.

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Dpa-BILD: Pedersen Gewählt: SPD-Politikeri­n Bärbel Bas freut sich über ihre Wahl zur Bundestags­präsidenti­n bei der konstituie­renden Sitzung des Bundestags.

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