Leiden der Schüler auf Hindenburgschule
Günther Nullmeyer hat schlimme Erinnerungen an seine Schulzeit in den 60er Jahren
Oldenburg – „Ich sag’ es so drastisch: Dieter Vogt ist mein Held des Alltags. Da offenbart er sich als 80-Jähriger als schärfst traumatisierter Schüler der Hindenburgschule“, beginnt ein Schreiben an unsere Redaktion. Günther Nullmeyer nimmt darin Bezug auf einen Bericht in der NWZ über ein Buch, in dem Dieter Vogt sein Leben mit allen Schicksalsschlägen aber auch die schlimmen Geschehnisse und Erlebnisse aus seiner Schulzeit auf der Hindenburgschule (heute Herbartgymnasium) thematisiert.
„Wie viele Opfer?“
„Wie viele Opfer wird es da noch geben? Ich hoffe auf viele Zuschriften an Ihre Zeitung“, schreibt Nullmeyer und schildert dann seine eigenen Erlebnisse. „Na, Nullmeyer, Hausaufgabe? Komm, mal nach vorne. Du kennst das Procedere. Offene Hand ausstrecken, in Erwartung des Lineals. Oder kannst du einen Joker zücken? Nenne mir drei verlorene Großstädte im Osten.“Schüler: „Königsberg, Gleiwitz, Breslau, Po..“Lehrer: „Stopp, genügt, hast noch mal Glück gehabt, setzen.“
Und auf dem Weg zum Sitzplatz wurde dem Schüler vom Erdkundelehrer hinterhergerufen: „Deutschland, dreigeteilt’ ...“Der Schüler: „Niemals.“Ein weiteres Beispiel: „Gerd aus dem Edewechter Umland, kein Bildungsbürger. ,Was willst du denn hier? Dein Vater ist doch Moorarbeiter?’ Gerd ist anschließend zwar weiter mit dem Bus zur Schule gefahren. Aber er hat sie nicht mehr betreten.“
Die Lehrer verschafften sich in den Elternhäusern ihrer Schüler einen Überblick. Nullmeyer: „Gab es im Wohnzimmer (regalweise) Bücher? Eher kaum. Entsprechend wurden die Vorurteile zementiert. Polizistensöhne, Bäckermeistersöhne – brauchten die
Vor seiner ehemaligen Schule: Günther Nullmeyer und einige Klassenkameraden wurden in den 60er Jahren auf der Hindenburgschule (heute Herbartgymnasium) von Lehrern schikaniert, berichtet der 70-Jährige.
höhere Bildung? Perlen vor die Säue werfen? Wenn einige dann nicht ganz so schlecht waren, konnte man ihnen die Mittlere Reife geben. Aber Oberstufe? Auf keinen Fall.“Ins Zeugnis kam bei ihm der Satz: „Günther verläßt die Schule, um einen Beruf zu ergreifen.“
Es selber besser machen
Günther Nullmeyer hat (wie Dieter Vogt auch) aus diesem unpädagogischen Verhalten Konsequenz gezogen, ist selbst Lehrer geworden, um es besser zu machen. Auf verunsicherte junge Erwachsene ist er häufiger in seiner Berufsbildenden Schule Haarentor bzw. Wechloy gestoßen.
Nullmeyer: „Dann sitzen sie in meiner Berufsschulklasse und haben endlich mal bessere Noten. Nach drei Jahren taucht bei vielen der Wunsch auf, weiterzumachen und die Fachoberschule Wirtschaft zu
Gab mit seinem (in unserer Zeitung vorgestellten Buch) „Erinnerungen aus acht Jahrzehnten“den Anstoß: Dieter Vogt mit der Lektorin Fenna Jürgens.
besuchen. Und dort – Kennenlernrunde! Lehrer: ,Warum machst du weiter Schule?’ Schüler: ,Ich möchte Wirtschaft studieren. Aber ich habe Angst. Vor allem die allgemeinbildenden Fächer. Mathe
geht ja noch irgendwie. Kaufmännisches Rechnen, aber Deutsch. Diese Aufsätze, Literatur. Wie da einen Zugang finden?“
Günther Nullmeyer konnte die meisten seiner Schüler beruhigen.
Günther Nullmeyer auf dem Lehrer-Parkplatz der Hindenburgschule.
Auch er ist diesen Weg nach seiner Lehre zum Sparkassenkaufmann gegangen. Die Lehrer von der Hindenburgschule haben ihm diesen Weg nicht verbauen können.