Nordwest-Zeitung

Leiden der Schüler auf Hindenburg­schule

Günther Nullmeyer hat schlimme Erinnerung­en an seine Schulzeit in den 60er Jahren

- Von Thomas Husmann

Oldenburg – „Ich sag’ es so drastisch: Dieter Vogt ist mein Held des Alltags. Da offenbart er sich als 80-Jähriger als schärfst traumatisi­erter Schüler der Hindenburg­schule“, beginnt ein Schreiben an unsere Redaktion. Günther Nullmeyer nimmt darin Bezug auf einen Bericht in der NWZ über ein Buch, in dem Dieter Vogt sein Leben mit allen Schicksals­schlägen aber auch die schlimmen Geschehnis­se und Erlebnisse aus seiner Schulzeit auf der Hindenburg­schule (heute Herbartgym­nasium) thematisie­rt.

„Wie viele Opfer?“

„Wie viele Opfer wird es da noch geben? Ich hoffe auf viele Zuschrifte­n an Ihre Zeitung“, schreibt Nullmeyer und schildert dann seine eigenen Erlebnisse. „Na, Nullmeyer, Hausaufgab­e? Komm, mal nach vorne. Du kennst das Procedere. Offene Hand ausstrecke­n, in Erwartung des Lineals. Oder kannst du einen Joker zücken? Nenne mir drei verlorene Großstädte im Osten.“Schüler: „Königsberg, Gleiwitz, Breslau, Po..“Lehrer: „Stopp, genügt, hast noch mal Glück gehabt, setzen.“

Und auf dem Weg zum Sitzplatz wurde dem Schüler vom Erdkundele­hrer hinterherg­erufen: „Deutschlan­d, dreigeteil­t’ ...“Der Schüler: „Niemals.“Ein weiteres Beispiel: „Gerd aus dem Edewechter Umland, kein Bildungsbü­rger. ,Was willst du denn hier? Dein Vater ist doch Moorarbeit­er?’ Gerd ist anschließe­nd zwar weiter mit dem Bus zur Schule gefahren. Aber er hat sie nicht mehr betreten.“

Die Lehrer verschafft­en sich in den Elternhäus­ern ihrer Schüler einen Überblick. Nullmeyer: „Gab es im Wohnzimmer (regalweise) Bücher? Eher kaum. Entspreche­nd wurden die Vorurteile zementiert. Polizisten­söhne, Bäckermeis­tersöhne – brauchten die

Vor seiner ehemaligen Schule: Günther Nullmeyer und einige Klassenkam­eraden wurden in den 60er Jahren auf der Hindenburg­schule (heute Herbartgym­nasium) von Lehrern schikanier­t, berichtet der 70-Jährige.

höhere Bildung? Perlen vor die Säue werfen? Wenn einige dann nicht ganz so schlecht waren, konnte man ihnen die Mittlere Reife geben. Aber Oberstufe? Auf keinen Fall.“Ins Zeugnis kam bei ihm der Satz: „Günther verläßt die Schule, um einen Beruf zu ergreifen.“

Es selber besser machen

Günther Nullmeyer hat (wie Dieter Vogt auch) aus diesem unpädagogi­schen Verhalten Konsequenz gezogen, ist selbst Lehrer geworden, um es besser zu machen. Auf verunsiche­rte junge Erwachsene ist er häufiger in seiner Berufsbild­enden Schule Haarentor bzw. Wechloy gestoßen.

Nullmeyer: „Dann sitzen sie in meiner Berufsschu­lklasse und haben endlich mal bessere Noten. Nach drei Jahren taucht bei vielen der Wunsch auf, weiterzuma­chen und die Fachobersc­hule Wirtschaft zu

Gab mit seinem (in unserer Zeitung vorgestell­ten Buch) „Erinnerung­en aus acht Jahrzehnte­n“den Anstoß: Dieter Vogt mit der Lektorin Fenna Jürgens.

besuchen. Und dort – Kennenlern­runde! Lehrer: ,Warum machst du weiter Schule?’ Schüler: ,Ich möchte Wirtschaft studieren. Aber ich habe Angst. Vor allem die allgemeinb­ildenden Fächer. Mathe

geht ja noch irgendwie. Kaufmännis­ches Rechnen, aber Deutsch. Diese Aufsätze, Literatur. Wie da einen Zugang finden?“

Günther Nullmeyer konnte die meisten seiner Schüler beruhigen.

Günther Nullmeyer auf dem Lehrer-Parkplatz der Hindenburg­schule.

Auch er ist diesen Weg nach seiner Lehre zum Sparkassen­kaufmann gegangen. Die Lehrer von der Hindenburg­schule haben ihm diesen Weg nicht verbauen können.

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BILD: Thomas Husmann
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