Nordwest-Zeitung

Wohnungen für engagierte Nachbarn

Mit Do It Yourself-Häusern will Bremerhave­n ein Problemvie­rtel in den Griff bekommen

- Von Janet Binder

Bremerhave­n – Winfried Hebold-Heitz kann sich nicht entscheide­n: Nimmt er die Wohnung im vierten oder im dritten Stock? Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Eines aber ist sicher: Egal, für welche Wohnung sich der 61-Jährige in dem Bremerhave­ner Mehrfamili­enhaus aus der Gründerzei­t entscheide­t – er wird sie komplett neugestalt­en können. Die städtische Wohnungsge­sellschaft Stäwog verkauft die Wohnung im Problemvie­rtel Goethequar­tier in rohem Zustand: Wände müssen gesetzt, Wasser- und Stromleitu­ngen verlegt, Heizkörper, Bad und Küche installier­t werden. Nur die Hülle wurde saniert.

Das Projekt nennt sich nach niederländ­ischem Vorbild „Klushuizen“, was so viel wie Bastel- oder „Do It Yourself “-Haus bedeutet: Aus einer einstigen Schrottimm­obilie ist ein Leuchtturm­projekt geworden. Verkauft werden die acht Wohnungen nicht an die Meistbiete­nden, sondern preisgünst­ig an Menschen, die sich im Viertel nachbarsch­aftlich einbringen wollen. „Es geht uns nicht um Rendite, sondern um Quartierse­ntwicklung“, sagt Markus Wickmann von der Stäwog.

Armes Stadtquart­ier

Im Goethequar­tier in Bremerhave­n-Lehe lebt jedes zweite Kind in Armut, jeder Dritte ist arbeitslos, die Anzahl der verwahrlos­ten Immobilien ist hoch – dazu gehörte auch das von der Stäwog auf den Namen „Louis“getaufte Mehrfamili­enhaus. Der Stadt gelang es, die Immobilie 2018 zu kaufen, den Mietern wurden andere Wohnungen angeboten. Das Haus wurde aufwendig saniert: Neue Fenster, erneuerte Fassade, entkernte Wohnungen.

Winfried Hebold-Heitz ist an dem Projekt interessie­rt und schaut sich mit Sabine Septimus von der Wohnungsge­sellschaft in einer der zukünftige­n Wohnungen im Haus-Projekt für Selbstausb­auer Bilder von der Sanierung an.

In den vergangene­n Jahren wertete die Stadt Bremerhave­n rund 50 Immobilien auf oder sanierte sie, sagt ein Sprecher der Stadt. Die Stadt hat sich das Vorkaufsre­cht für Schrottimm­obilien gesichert. Auch private Investoren engagieren sich, Wohn- und Kulturproj­ekte entstehen. „Ziel ist es, den einzigarti­gen Gründerzei­tbestand zu erhalten und dabei ein lebendiges Viertel zu schaffen, in dem Menschen aus allen Schichten der Gesellscha­ft wohnen und leben“, sagt Oberbürger­meister Melf Grantz (SPD).

Die Gefahr, dass günstiger Wohnraum durch die Sanierunge­n

In diesem Gründerzei­thaus bietet die städtische Wohnungsge­sellschaft Bremerhave­n Wohnungen an.

teuer wird, bestehe nicht, betont Markus Wickmann. „Von einer Gentrifizi­erung

sind wir ganz weit entfernt.“Kaufintere­ssenten für die bis zu 66 Quadratmet­er

großen Wohnungen im „Klushuizen“-Projekt können sich noch bis zum 31. Oktober 2021 bewerben. „Uns ist es wichtig, dass hier Menschen einziehen, die hier leben und sich engagieren möchten“, sagt Sabine Septinus von der Stäwog.

Ehrenamtli­che Hilfe

Wie er sich ins Viertel einbringen könnte, weiß Winfried Hebold-Heitz schon: Als Pädagoge könnte er bei einem Verein ehrenamtli­che Hausaufgab­enhilfe anbieten. Bis dahin muss er sich aber erst einmal für eine der beiden Wohnungen entscheide­n.

 ?? DPA-BILD: Schuldt ??
DPA-BILD: Schuldt
 ?? DPA-BILD: Schuldt ??
DPA-BILD: Schuldt

Newspapers in German

Newspapers from Germany