Weltgeschichte am Checkpoint Charlie
Direkte Konfrontation: Am Grenzübergang Friedrichstraße fuhren im Oktober 1961 Panzer auf
Berlin – Wie ein kleiner bunter Punkt schleicht der VW Käfer durch die graue Häuserschlucht am Checkpoint Charlie. US-Diplomat Edwin Allan Lightner ist an diesem Sonntag im Oktober 1961 mit seiner Frau im Privatauto unterwegs in ein Theater in Ostberlin. Doch zu dem unbeschwerten Abend wird es nicht kommen. Stattdessen beginnt ein tagelanger Nervenkrieg, an dessen Ende sich amerikanische und sowjetische Panzer schussbereit gegenüberstehen.
Es wird eine der gefährlichsten Krisen des Kalten Krieges.
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Heute Attraktion
Diese Konfrontation vor genau 60 Jahren – und die Autofahrt des Ehepaars Lightner – kann man jetzt noch einmal selbst erleben, zumindest virtuell. Die Stiftung Berliner Mauer hat sie in einer App mittels Augmented Reality zum Leben erweckt.
In der analogen Wirklichkeit erinnert am historischen Ort wenig an die dramatischen Stunden im Oktober 1961. Die Gedenktafel am nachgebauten US-Grenzhäuschen an der Friedrichstraße ist leicht zu übersehen hinter den vielen Touristen, die sich da gegenseitig fotografieren. Der Checkpoint Charlie ist nur noch Attrappe. Und doch zieht er Besucher in Scharen an.
Anfang dieser Woche standen zum Beispiel Margit und Bernhard Bus mit einem befreundeten Ehepaar an der berühmten Ecke Friedrich- und Zimmerstraße, zu Besuch aus dem Saarland. „Wir sind alle um die 60, und die Trennung zwischen Ost und West ist uns ja allen noch sehr bewusst“, sagte Margit Bus. Die Situation an der früheren Mauer sei einfach historisch interessant.
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Das Muster
Tatsächlich ist die Machtprobe zwischen den westlichen und den sowjetischen Besatzungsmächten in Berlin 1961 weniger bekannt als etwa die Kubakrise ein Jahr später. Das Muster war jedoch ganz ähnlich, und einige Historiker nehmen an, dass auch in Berlin ein Krieg der Supermächte nur knapp vermieden wurde.
Die Vorgeschichte ist der Bau der Berliner Mauer ab dem 13. August 1961. Weil sich täglich Hunderte Bürger absetzten, riegelte die DDR-Führung die Grenze zu Westberlin ab und befestigte sie mit Beton und Stacheldraht. Die Nachkriegsordnung Berlins galt aber formal weiter: der
Viermächtestatus und die Verwaltung in vier Sektoren, nämlich den amerikanischen, britischen und französischen Sektoren im Westen und dem sowjetischen im Osten.
Der 22. Oktober
Am 22. Oktober 1961 begann mit dem geplatzten Theaterbesuch des Ehepaars Lightner ein gefährliches Katz-undMaus-Spiel. Lightner pochte am Alliierten-Übergang Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße auf das für Angehörige der vier Mächte vereinbarte Recht, sich ohne Kontrollen frei in ganz Berlin zu bewegen.
In den folgenden Tagen wiederholten sich ähnliche Szenen. Am 25. Oktober ließ Lucius D. Clay, der Berlin-Beauftragte von US-Präsident John F. Kennedy, als militärische Machtdemonstration erstmals Panzer auffahren. Am 27. Oktober rollten auch von der Ostseite Panzer Richtung Grenzübergang. 16 Stunden standen sie sich drohend gegenüber, mit scharfer Munition.
Am 28. Oktober 1961 war der Spuk vorbei: In Geheimverhandlungen mit der sowjetischen Seite einigte man sich schließlich auf den Rückzug der Panzer – ganz langsam, Meter für Meter und Zug um Zug.