„Der FDP geht es um Inhalte, nicht um die Karriere“
Parteichef Christian Lindner erklärt, was er als möglicher Finanzminister plant
Herr Lindner, die Koalitionsverhandlungen haben geräuschlos begonnen. Wie gehen Sie mit der Verschiebung der FDP Richtung Ampel um? Lindner: Es gibt keine Verschiebung. Die FDP ist eine eigenständige Partei freiheitsliebender Menschen. Wir sind nicht Teil irgendeines Lagers, das wir jetzt wechseln würden. In NRW regieren wir zum Beispiel erfolgreich in einer schwarz-gelben Regierung, die wir fortsetzen wollen. Im Bund übernehmen wir Verantwortung dafür, dass unser Land weiter aus der Mitte regiert wird.
Im November 2017 war es kurz vor Mitternacht, als Jamaika platzte. Haben Sie ein Ausstiegs-Trauma? Lindner: Nein. Die FDP hat von der Entscheidung profitiert. Man weiß seitdem, dass es uns um Inhalte und nicht um Karrieren geht.
Es kann also wieder passieren?
Lindner: Ich haben keinen Grund, darüber zu spekulieren. Es gibt Grenzen dessen, was man einander zumuten darf. Die wurden vor vier Jahren getestet. Gegenwärtig ist das nicht der Fall.
Sie waren der Erste, der gesagt hat, was er in einer neuen Regierung werden möchte… Lindner: Zuerst haben Persönlichkeiten das Kanzleramt reklamiert. Danach hat die FDP angezeigt, dass wir bereit sind, für die Staatsfinanzen die Verantwortung zu übernehmen. Übrigens aus der inhaltlichen Begründung heraus, höhere Steuern und ein Aufweichen der Schuldenbremse zu verhindern.
Die Kasse des Bundes ist eigentlich leer. Wie wollen Sie die Schuldenbremse ab 2023 trotzdem wieder einhalten? Lindner: Die Schuldenbremse fordert keine schwarze Null, sondern solide Finanzen. Dafür stehen wir, aber eine Finanzplanung kann es wegen der unsicheren Konjunkturlage noch nicht geben. In jedem Fall sollten Vorhaben in eine Prioritätenfolge gebracht werden. Nicht alles geht sofort. Dann werden wir Subventionen prüfen. Wir geben zum Beispiel eine Milliarde Euro an Subventionen für Plug-in-Fahrzeuge aus, die keinen gesicherten ökologischen Nutzen haben. Subventionsabbau darf aber nicht zu einer Steuererhöhung für die arbeitende Mitte werden, wie es bei der Pendlerpauschale der Fall wäre. Bei den Investitionen für Klimaschutz und Digitalisierung denken wir als Marktwirtschaftler vor allem an privates Kapital. Hier könnten öffentliche Förderbanken wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau hilfreich sein.
US-Nobelpreisträger werfen der FDP vor, borniert an einer veralteten Vorstellung von Haushaltspolitik festzuhalten. Lindner: Manche Kritik muss man als Bestätigung der eigenen Position werten. Denn linke US-Schuldenökonomen hoffen geradezu auf Inflation.
Die Gefahr einer Geldentwertung beobachte ich dagegen sehr aufmerksam. In den USA könnte wegen der Inflationsrisiken eine Zinswende anstehen. Die entsprechende Handlungsfähigkeit der EZB ist in Frage gestellt, weil bestimmte Euro-Länder sich ohne ihre Hilfe schwer refinanzieren könnten. Die Gefahr einer sogenannten fiskalischen Dominanz darf nicht vorsätzlich vergrößert werden. Deshalb rate ich dazu, dass wir in Europa und Deutschland an nachhaltig tragfähigen Staatsfinanzen festhalten.
Den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen, wird Geld kosten. Lindner: Das Datum 2030 ist ein Anliegen der Grünen. Um es zu realisieren, werden wir schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren für alternative Energie benötigen. Beispielsweise aus der Wasserstoffwirtschaft können auch neue Arbeitsplätze entstehen, die den Strukturwandel erleichtern.