Nordwest-Zeitung

Zugelassen auch ohne Kinder und Enkel

Professor Florestan und Maestro Eusebius lüften Geheimniss­e um Beethoven

- Von Horst Hollmann

Oldenburg – Können sich zwei Charakterk­öpfe vertragen, die frei von der Leber weg über den anderen lästern? Also: „Der Professor ist ja schon mal ein bisschen verwirrt“, sagt Maestro Eusebius. Und: „Der Maestro ist so was von pingelig, wie der mit Zahlen um sich schmeißt“, befindet Professor Florestan. Doch, doch, sie können gemeinsam. Als Beethoven-Fans sind sie fast schon Ultras. Folglich handeln die beiden Musikkenne­r und Erklärer sogar wie mit einem Herzen und einer Seele, am Wochenende im 1. Familienko­nzert im Staatsthea­ter.

„Bonn bleibt ein Dorf“

Den Stoff liefert Ludwig van Beethoven, geboren 1770 in Bonn. „Damals wie heute ein Dorf“, wirft Eusebius ein. Aber dann benimmt er sich gesittet, wie man Kapellmeis­ter Thomas Honickel, den Eusebius, in Oldenburg kennt. Generalint­endant Christian Firmbach, der Florestan, weist auf den Anlass ihres Meinungsau­stauschs hin: „Alle Welt wollte 2020 Beethovens 250. Geburtstag feiern. Das ging ja nicht. Also lassen wir ihn jetzt zum 251. hochleben.“

Die Fete steigt nun an diesem Wochenende. Zweimal widmen sich die Moderatore­n und das Staatsorch­ester im Großen Haus dem unbegreifl­ichen Komponiste­n, am Sonnabend um 18 Uhr, am Sonntag um 11.30 Uhr. „Wir breiten so viel überrasche­ndes Wissen

aus, dass alle Jahrgänge etwas mit nach Hause nehmen“, kündigt Honickel an. „Man ist aber auch ohne Kinder oder Enkel zugelassen.“

Florestan und Eusebius öffnen dazu einen im Internet ersteigert­en

Koffer. Beide versichern, dass das vom Alter gezeichnet­e Stück im Besitz des Komponiste­n war. Florestan klaubt sogar eine Partitur hervor und weist auf einen schwarzen Fleck auf dem Titelblatt: „Beethoven hatte seine dritte Sinfonie, die Eroica, Napoleon gewidmet. Als der sich zum Kaiser krönte, riss der Komponist die Zeilen mit der Widmung heraus und merkte an: Auch nur ein Mensch!“

„Der hatte ’ne Sauklaue“

Es gebe immer noch viel Unbekannte­s an Beethovens Musik zu entschlüss­eln, ziemlich mühsam, fügt Eusebius an: „Der hatte einfach eine Sauklaue.“Da stellt sich der Professor möglicherw­eise sogar die Frage, ob bei einem berühmten Klavierstü­ck die Zueignung „für Terese“oder „für Elise“echt entziffert worden ist.

Fantasien und Strenge gegenüber den Fakten pendeln sich gegenseiti­g aus. „Wir liefern keine Fake News“, betonen beide in ungetrübte­m C-Dur, „unser Stoff wäre die Zierde einer jeden seriösen Zeitung.“Sie dringen unter die Oberfläche von Witz und Ironie, widmen sich etwa der für Beethoven tragischen Frage: Wie verändert Taubheit, die bei ihm schon mit 30 Jahren einsetzte, einen Menschen? Isolierte sie ihn? Folgte daraus das Ungestüme, Unwirsche, Unstete, Hitzköpfig­e? Sesshaft war er nie. Seine Wohnungen in Wien und Umgebung wechselte er 69-mal, seine Freundinne­n deutlich weniger.

„Theoretisc­h ein Skript“

Nach 70 Minuten, davon gut die Hälfte mit aufwühlend­er Musik, heißt es für Florestan

und Eusebius „Treffpunkt Fermate“. Das ist jenes Halbkreis-Zeichen über einer Note, an der alle warten müssen, bis auch im Musikfluss abgetriebe­ne Nachzügler eingetroff­en sind. Daran müssen sich auch Florestan und Eusebius präzise halten. „Theoretisc­h gibt es ein Skript“, nickt Firmbach. „Spontan lassen wir uns aber zum Improvisie­ren herausford­ern“, verweist Honickel auf Interaktio­nen mit dem Publikum. „Das haben wir ja eine gefühlte Ewigkeit lang nicht mehr gehabt. Wer hätte gedacht, dass wir uns wieder derart auf den Live-Austausch freuen?“

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BILD: Thilo Beu Beethoven am/im Kopf: Generalint­endant Christian Firmbach (links) und Kapellmeis­ter Thomas Honickel

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