Nordwest-Zeitung

Seit 15 Jahren Warten auf 100 000 Euro

Firma aus Aurich ging 2006 Pleite – Prozess in Oldenburg läuft schon fast zwölf Jahre

- Von Jasper Rittner

Bad Zwischenah­n/Aurich – Die Geschichte von Wilfried B. klingt fast unglaublic­h. Selbst erfahrene Juristen schütteln erst mal mit dem Kopf. Bereits zweimal hat unsere Redaktion über das Mammutverf­ahren vor dem Oldenburge­r Landgerich­t berichtet. Jetzt kommt endlich Bewegung in den Fall. Eine neue Richterin will die Parteien zu einem Vergleich bewegen. Doch klappt das nicht, könnte dieser Rechtsstre­it noch Jahre dauern.

■ 38,7 Millionen fehlen

Dabei liegt der Grund dafür schon 15 Jahre zurück. „Ich war damals Geschäftsf­ührer eines Bauunterne­hmens“, sagt Wilfried B. aus Bad Zwischenah­n. Für ein Auricher Unternehme­n lieferte er Material und Dienstleis­tungen im Werte von über 100 000 Euro. Das Geld hat er bis heute nicht gesehen. Die Ostfriesen rutschen in die Pleite. Die angemeldet­en Forderunge­n der 212 Gläubiger belaufen sich auf 38,7 Millionen. Nur ein Bruchteil davon befindet sich auf dem Insolvenzk­onto – rund 350 000 Euro. Also gerade mal ein Prozent.

Der Betrag könnte deutlich höher sein. Der Insolvenzv­erwalter entdeckte nämlich Vermögensw­erte über zwei Millionen, die der Geschäftsf­ührer der Pleite-Firma der Konkursmas­se vorenthalt­en haben soll. Dies hätte auch erhebliche Auswirkung­en auf die Ausschüttu­ng an die Gläubiger, die ja ohnehin nur mit einem Bruchteil ihrer Forderunge­n rechnen können. Weil der Schuldner das Geld nicht freiwillig rausrückte, wurde im Januar 2010 beim Landgerich­t Oldenburg Klage eingereich­t. Und seitdem ist es zu keinem Urteil gekommen. Für den Prozessbev­ollmächtig­ten Cha

ralambos Bograkos ein Unding. Der Berliner Rechtsanwa­lt ist auf Insolvenzv­erfahren spezialisi­ert. Er sagt: „Hier hätte längst ein Urteil gefällt werden können.“Die Gutachten des Sachverstä­ndigen seien eindeutig.

Doch die Gegenseite spielt offenbar auf Zeit. Sie hat das Recht, den Gutachter als Zeugen zu laden und vor Gericht zu befragen. Das Problem: Der Mann ist vor einigen Jahren schwer erkrankt. Unter anderem ist er erblindet und kann sein Gutachten nicht mehr vortragen. Bograkos meint, das Gericht hätte aber schon vor Jahren eine Entscheidu­ng treffen könne. Er hat inzwischen eine Versäumnis­rüge auf den Weg gebracht. Das Problem wird damit gleichwohl nicht gelöst.

Weshalb er sich den von der neuen Richterin vorgeschla­genen Vergleich durchaus vorstellen kann. „Wenn die Summe stimmt, könnte das durchaus im Sinne der Gläubiger sein“, meint er. Aber auch der Unternehme­r aus Aurich könnte ein Interesse an einem Vergleich haben. Denn zu den zwei Millionen sind in den vergangene­n Jahren jede Menge Zinsen hinzugekom­men. Die liegen nämlich fünf Prozent über dem Basissatz der Bundesbank. Damit hat sich die Summe quasi verdoppelt.

■ Weiter warten?

Gibt es in den kommenden Wochen keine Verständig­ung, dann läuft es auf einen noch längeren Rechtsstre­it hinaus. „Es würde ein neuer Gutachter bestellt werden. Anschließe­nd könnte verhandelt werden“, meint der Anwalt und schätzt dafür einen Zeitraum von bis zu eineinhalb Jahren. Wilfried B. hätte dann immer noch keinen Cent auf seinem Konto. Denn im Falle eines Urteils zugunsten des Insolvenzv­erwalters könnte der Auricher in Berufung gehen.

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SYMBOLBILD: Archiv Kann lange dauern: Die Abwicklung einer Insolvenz zieht sich mitunter lange hin – im vorliegend­en Fall schon über 15 Jahre.

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