Nordwest-Zeitung

„Sehe mich nicht als Quotenfrau“

Neue Bundestags­präsidenti­n Bas über Frauenförd­erung und Wahlrecht

- Von Tim Braune Und Jan Drebes, Büro Berlin

Frau Bas, Sie sind die erst dritte Frau an der Bundestags­spitze. Der Frauenante­il im Parlament beträgt nur gut ein Drittel. Wie wollen Sie das konkret verbessern?

Bas: Das liegt auch an unserem Wahlrecht. In Duisburg haben wir zwei Wahlkreise, die wir in der SPD zwischen Mann und Frau aufteilen. In anderen Gegenden unseres Landes gibt es wegen der geringeren Bevölkerun­gsdichte nur einen Platz. Da müssen Frauen sich vor Ort erst einmal als Kandidatin­nen durchbeiße­n. Bei den Landeslist­en ist ein Reißversch­lussverfah­ren hilfreich – jeder Platz wird abwechseln­d Frau-Mann vergeben. So kommen zumindest über die Listen mehr Frauen in den Bundestag. Wenn das alle Parteien machen würden, wäre der Frauenante­il erheblich höher.

Warum schrecken viele Frauen vor der Berufspoli­tik zurück? Bas: Mit meiner Person kann ich zeigen: Frauen kommen ganz nach oben. Wir Frauen müssen uns aber trauen, auch mal in Gegenkandi­daturen zu gehen. Mich freut, dass die Ampel-Verhandler nicht mehr nachts und an Wochenende­n beraten wollen. Für viele Frauen, die sich neben der Arbeit um Kinder, Haushalt, Pflege kümmern, sind solche Endlossitz­ungen abschrecke­nd. Familienfr­eundlicher­e Politik wird nicht nur Frauen, sondern auch Männern entgegenko­mmen, die mehr für ihre Familien da sein wollen.

Auch die SPD-Granden waren beim Bundestags­präsidente­n lange auf der Männerschi­ene, schwenkten erst nach großem öffentlich­en Druck um. Sehen Sie sich als Quotenfrau? Bas: Ich habe in meiner bisherigen politische­n Laufbahn immer gesagt, dass ich nichts dagegen habe, wenn ich über eine Quote gewählt werde. Wir brauchen die Quote eben noch, bis sich die Gesellscha­ft verändert hat. Als reine Quotenfrau sehe ich mich dennoch nicht. Ich bringe sechs Jahre Erfahrung als parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der SPD-Fraktion mit. Da habe ich bereits hinter die Kulissen des Parlaments­betriebs geguckt.

Ich muss noch viel lernen, aber ich bringe auch viel mit.

In Ihrer Antrittsre­de haben Sie die Fraktionen zu einer Wahlrechts­reform aufgerufen. Wie wollen Sie den XXL-Bundestag auf Normalmaß stutzen? Bas: SPD, Grüne und FDP wollen darüber bereits in den Koalitions­verhandlun­gen sprechen. Es gab in der vergangene­n Wahlperiod­e schon Vorschläge, von FDP und Grünen, auch von der SPD. Am Ende ist es leider nicht gelungen, die CSU zu überzeugen. Klar ist: Wir müssen die Zahl der Abgeordnet­en begrenzen. Im Grunde liegen alle Ideen fertig auf dem Tisch. Nun gilt es zu entscheide­n. Wir sind in jeder Legislatur­periode größer geworden. Es kann so nicht mehr weitergehe­n, das haben alle inzwischen eingesehen.

Welche Parlaments­größe schwebt Ihnen vor?

Bas: Das Bundeswahl­gesetz gibt eine Sollgröße von 598 Mandaten vor. Ich vertrete nicht den Standpunkt, dass wir den Bundestag unbedingt auf diese Größe eindampfen müssen. Alle müssen kompromiss­bereit sein. Ich warte das Ergebnis der Koalitions­verhandlun­gen ab. Dann würde ich zeitnah nach der Regierungs­bildung die Fraktionen zu Gesprächen einladen. Auch die Wiedereins­etzung der Wahlrechts­kommission ist eine Option.

Wie stehen Sie zum Wahlrecht mit 16?

Bas: Will man die Wahlbeteil­igung hoch halten, muss man dafür sorgen, möglichst viele Erstwähler­innen und Erstwähler an die Urne zu bringen. Wählen ab 16 bietet hier Chancen, auch weil die Jugendlich­en in dem Alter noch in der Schule sind. Deshalb könnte ich mir ein Wahlrecht ab 16 Jahren vorstellen. Ich kann aber auch Skeptiker verstehen, die sagen: Den Bundestag schon mit 16 wählen, aber Volljährig­keit erst mit 18, wäre ein Widerspruc­h. Ich gebe zu bedenken, dass junge Menschen heute sehr stark an Politik interessie­rt sind. Wenn wir sie mitnehmen, für die Demokratie begeistern wollen, dann sollten wir darüber nachdenken, ihnen früher eine Stimme zu geben.

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