„Sehe mich nicht als Quotenfrau“
Neue Bundestagspräsidentin Bas über Frauenförderung und Wahlrecht
Frau Bas, Sie sind die erst dritte Frau an der Bundestagsspitze. Der Frauenanteil im Parlament beträgt nur gut ein Drittel. Wie wollen Sie das konkret verbessern?
Bas: Das liegt auch an unserem Wahlrecht. In Duisburg haben wir zwei Wahlkreise, die wir in der SPD zwischen Mann und Frau aufteilen. In anderen Gegenden unseres Landes gibt es wegen der geringeren Bevölkerungsdichte nur einen Platz. Da müssen Frauen sich vor Ort erst einmal als Kandidatinnen durchbeißen. Bei den Landeslisten ist ein Reißverschlussverfahren hilfreich – jeder Platz wird abwechselnd Frau-Mann vergeben. So kommen zumindest über die Listen mehr Frauen in den Bundestag. Wenn das alle Parteien machen würden, wäre der Frauenanteil erheblich höher.
Warum schrecken viele Frauen vor der Berufspolitik zurück? Bas: Mit meiner Person kann ich zeigen: Frauen kommen ganz nach oben. Wir Frauen müssen uns aber trauen, auch mal in Gegenkandidaturen zu gehen. Mich freut, dass die Ampel-Verhandler nicht mehr nachts und an Wochenenden beraten wollen. Für viele Frauen, die sich neben der Arbeit um Kinder, Haushalt, Pflege kümmern, sind solche Endlossitzungen abschreckend. Familienfreundlichere Politik wird nicht nur Frauen, sondern auch Männern entgegenkommen, die mehr für ihre Familien da sein wollen.
Auch die SPD-Granden waren beim Bundestagspräsidenten lange auf der Männerschiene, schwenkten erst nach großem öffentlichen Druck um. Sehen Sie sich als Quotenfrau? Bas: Ich habe in meiner bisherigen politischen Laufbahn immer gesagt, dass ich nichts dagegen habe, wenn ich über eine Quote gewählt werde. Wir brauchen die Quote eben noch, bis sich die Gesellschaft verändert hat. Als reine Quotenfrau sehe ich mich dennoch nicht. Ich bringe sechs Jahre Erfahrung als parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion mit. Da habe ich bereits hinter die Kulissen des Parlamentsbetriebs geguckt.
Ich muss noch viel lernen, aber ich bringe auch viel mit.
In Ihrer Antrittsrede haben Sie die Fraktionen zu einer Wahlrechtsreform aufgerufen. Wie wollen Sie den XXL-Bundestag auf Normalmaß stutzen? Bas: SPD, Grüne und FDP wollen darüber bereits in den Koalitionsverhandlungen sprechen. Es gab in der vergangenen Wahlperiode schon Vorschläge, von FDP und Grünen, auch von der SPD. Am Ende ist es leider nicht gelungen, die CSU zu überzeugen. Klar ist: Wir müssen die Zahl der Abgeordneten begrenzen. Im Grunde liegen alle Ideen fertig auf dem Tisch. Nun gilt es zu entscheiden. Wir sind in jeder Legislaturperiode größer geworden. Es kann so nicht mehr weitergehen, das haben alle inzwischen eingesehen.
Welche Parlamentsgröße schwebt Ihnen vor?
Bas: Das Bundeswahlgesetz gibt eine Sollgröße von 598 Mandaten vor. Ich vertrete nicht den Standpunkt, dass wir den Bundestag unbedingt auf diese Größe eindampfen müssen. Alle müssen kompromissbereit sein. Ich warte das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ab. Dann würde ich zeitnah nach der Regierungsbildung die Fraktionen zu Gesprächen einladen. Auch die Wiedereinsetzung der Wahlrechtskommission ist eine Option.
Wie stehen Sie zum Wahlrecht mit 16?
Bas: Will man die Wahlbeteiligung hoch halten, muss man dafür sorgen, möglichst viele Erstwählerinnen und Erstwähler an die Urne zu bringen. Wählen ab 16 bietet hier Chancen, auch weil die Jugendlichen in dem Alter noch in der Schule sind. Deshalb könnte ich mir ein Wahlrecht ab 16 Jahren vorstellen. Ich kann aber auch Skeptiker verstehen, die sagen: Den Bundestag schon mit 16 wählen, aber Volljährigkeit erst mit 18, wäre ein Widerspruch. Ich gebe zu bedenken, dass junge Menschen heute sehr stark an Politik interessiert sind. Wenn wir sie mitnehmen, für die Demokratie begeistern wollen, dann sollten wir darüber nachdenken, ihnen früher eine Stimme zu geben.