Kann Deutschland Taktgeber sein?
Über diese Inhalte wird ab diesem Sonntag verhandelt – Greenpeace stellt Forderungen
Berlin – Deutschland werde bei der Weltklimakonferenz keine „lame duck“sein, keine lahme Ente also. Das stellt Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth klar. Die Bundesregierung sei zwar nur noch geschäftsführend im Amt, aber „voll handlungsfähig“, sagt er in einer Konferenz vor Journalisten, die unter anderem wissen wollen: Welche Rolle wird Deutschland in den kommenden zwei Wochen bei der UNKonferenz in Glasgow spielen?
Hilfe aus Berlin
Klar ist: In den vergangenen anderthalb Jahren ist bereits viel diplomatische Vorarbeit geleistet worden, auch von deutscher Seite. Erst Anfang dieser Woche erklärte Flasbarth, dass Deutschland seinen Beitrag zur Unterstützung ärmerer Staaten bei der Klima-Anpassung in den kommenden Jahren „substanziell erhöhen“werde. In 2020 lag er bei mehr als sieben Milliarden Euro. Insgesamt müssten die Industriestaaten aber noch viel mehr Geld beisteuern, meinen Umweltverbände.
Die geschäftsführende Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) wird erst gegen Ende der Klimakonferenz, die an diesem Sonntag beginnt, anreisen können – aufgrund der Regierungsverhandlungen in Berlin. Das Land wolle bis 2045 klimaneutral werden, also nur noch so viele Treibhausgase ausstoßen, wie wieder gebunden werden können, sagt sie. Fünf Jahre früher als auf EUEbene, betont Schulze. Die deutsche Delegation gehöre zu den „Akteuren, die in der Lage sind, Brücken zu bauen zwischen den einzelnen Lagern. Wir haben die Expertise, die Erfahrung und die Vertrauensbasis, die Fortschritte auf solchen Konferenzen möglich machen.“
Sehr eindringlich warnen Umweltverbände davor, bei den globalen Ambitionen nachzulassen. Deutschland müsse in Glasgow verhindern, „dass das Pariser Abkommen durch einen weltweiten Markt für CO2-Kompensationen entstellt wird“, sagt GreenpeaceKlima-Expertin Lisa Goeldner. Greenpeace befürchtet eine Art „Ablasshandel“, der dazu führen könnte, dass sich finanziell starke Länder von der Verantwortung freikaufen, ihre Treibhausgasemissionen drastisch zu senken.
Goeldner glaubt auch, dass die COP-Teilnehmer sehr genau darauf schauen werden, was sich die möglichen Koalitionäre in Berlin beim Klimaschutz vornehmen. „Mutige Entscheidungen, die den CO2Ausstoß in Deutschland schnell real senken, könnten das Herz von Paris in Glasgow zum Leuchten bringen“, sagt Goeldner. Was sie mit „mutig“unter anderem meint: einen vorgezogenen Kohleausstieg und deutlichen Ausbau erneuerbarer Energien.
Ein verspielter Vorsprung
Aus Sicht der klimapolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lisa Badum, ist in den vergangenen Jahren einiges versäumt worden. Deutschland habe eine Bringschuld, da es einen höheren Treibhausgasausstoß pro Kopf habe als andere Länder, sagt sie. Die Klima-Vorreiter-Rolle sei längst „verspielt“.