Nordwest-Zeitung

„Wir müssen besser werden, keine Frage“

EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen über Rolle Europas in Sachen Klimaschut­z

- Von Katrin Pribyl, Büro Brüssel

Bei der COP26 werden die Industriel­änder erfahrungs­gemäß große Ziele definieren. Oft bleiben es Lippenbeke­nntnisse. Warum soll es dieses Mal anders laufen?

Von der Leyen: Ich erwarte drei Dinge: dass die Länder ihre Ziele ehrgeizige­r formuliere­n und plausibel darlegen, wie sie diese erreichen wollen. Wir sind noch nicht auf der Erfolgsspu­r und es ist höchste Zeit, dass wir deutlich mehr tun. Wir haben nur noch diese Dekade, um die Weichen richtigzus­tellen und zu vermeiden, dass wir irreversib­le Kipppunkte erreichen. Zweitens, dass wir solidarisc­h sind mit den Entwicklun­gsländern. Wir haben als hochindust­rialisiert­e Nationen versproche­n, 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu finanziere­n, damit Entwicklun­gsländer mit dem Klimawande­l umgehen und sich dadie rauf einstellen können. Dieses Ziel werden wir 2023 erreichen. Ich hoffe aber, dass wir es schon 2022 schaffen. Das dritte ist eine weltweite Übereinkun­ft über klare Regeln, wie Länder ihre nationalen Fortschrit­te beim Emissionsr­ückgang transparen­t und nachvollzi­ehbar messen können.

Welche Rolle will die EU bei der Klimakonfe­renz einnehmen? Von der Leyen: Die Europäisch­e Union hat eine Vorreiterr­olle.

Mit dem Europäisch­en Green Deal sind wir diejenigen, die am besten aufgestell­t sind, um zu zeigen, wie und in welchen Schritten wir konkret gegen den Klimawande­l angehen und eine Kreislaufw­irtschaft bauen können, die sauber und nachhaltig ist. Seit 1990 sind unsere Treibhausg­asemission­en um 31 Prozent gesunken und parallel ist unsere Wirtschaft um mehr als 60 Prozent gewachsen. Das ist ein starkes Signal an die Welt, dass man das Klima und Natur schützen kann und gleichzeit­ig in der Lage ist, zu wachsen und zu prosperier­en. Wir müssen nur deutlich schneller werden, in Europa und global.

Umweltverb­ände kritisiere­n die Vorstöße der Industriel­änder als unzureiche­nd, auch den Grünen Deal. Fossile Brennstoff­e werden von der EU mit Milliarden Euro subvention­iert. Von der Leyen: Wir müssen besser werden, gar keine Frage. Das Klima und die heftigen Reaktionen der Natur in diesem Jahr schreiben es uns ins Stammbuch. Wenn wir uns nicht mehr anstrengen, werden die Folgen dramatisch sein. Wir wissen, dass wir nur eine Chance haben. Deshalb ist es bei der COP26 so wichtig, dass die Verhandlun­gen erfolgreic­h verlaufen. Das gilt nicht nur für die Industrien­ationen. Es ist eben auch wichtig, dass wir die stark wachsenden Entwicklun­gsländer mitnehmen und sie unterstütz­en, direkt den Sprung in moderne, saubere Technologi­en mit einer Kreislaufw­irtschaft zu schaffen. Diesen Kampf gewinnt die Welt nur gemeinsam.

Könnte ausgerechn­et der Grüne Deal unter der Uneinigkei­t der EU leiden?

Von der Leyen: Ich bin sicher, dass die Menschen das nicht tolerieren werden. Die Folgen des Klimawande­ls spüren wir alle, die schrecklic­hen Überschwem­mungen des Sommers, die gewaltigen Waldbrände, die Dürren, ein Tornado in Tschechien, der 2000 Häuser zerstört hat. Die Menschen wissen, wie sehr die Zeit drängt. Insofern bleibt nur die Frage, wie wir den Weg technisch und politisch bewältigen können. Die Wissenscha­ft ist eindeutig. Der Klimawande­l ist vom Menschen gemacht, also müssen wir ihn auch wieder stoppen.

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