„Wir müssen besser werden, keine Frage“
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über Rolle Europas in Sachen Klimaschutz
Bei der COP26 werden die Industrieländer erfahrungsgemäß große Ziele definieren. Oft bleiben es Lippenbekenntnisse. Warum soll es dieses Mal anders laufen?
Von der Leyen: Ich erwarte drei Dinge: dass die Länder ihre Ziele ehrgeiziger formulieren und plausibel darlegen, wie sie diese erreichen wollen. Wir sind noch nicht auf der Erfolgsspur und es ist höchste Zeit, dass wir deutlich mehr tun. Wir haben nur noch diese Dekade, um die Weichen richtigzustellen und zu vermeiden, dass wir irreversible Kipppunkte erreichen. Zweitens, dass wir solidarisch sind mit den Entwicklungsländern. Wir haben als hochindustrialisierte Nationen versprochen, 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu finanzieren, damit Entwicklungsländer mit dem Klimawandel umgehen und sich dadie rauf einstellen können. Dieses Ziel werden wir 2023 erreichen. Ich hoffe aber, dass wir es schon 2022 schaffen. Das dritte ist eine weltweite Übereinkunft über klare Regeln, wie Länder ihre nationalen Fortschritte beim Emissionsrückgang transparent und nachvollziehbar messen können.
Welche Rolle will die EU bei der Klimakonferenz einnehmen? Von der Leyen: Die Europäische Union hat eine Vorreiterrolle.
Mit dem Europäischen Green Deal sind wir diejenigen, die am besten aufgestellt sind, um zu zeigen, wie und in welchen Schritten wir konkret gegen den Klimawandel angehen und eine Kreislaufwirtschaft bauen können, die sauber und nachhaltig ist. Seit 1990 sind unsere Treibhausgasemissionen um 31 Prozent gesunken und parallel ist unsere Wirtschaft um mehr als 60 Prozent gewachsen. Das ist ein starkes Signal an die Welt, dass man das Klima und Natur schützen kann und gleichzeitig in der Lage ist, zu wachsen und zu prosperieren. Wir müssen nur deutlich schneller werden, in Europa und global.
Umweltverbände kritisieren die Vorstöße der Industrieländer als unzureichend, auch den Grünen Deal. Fossile Brennstoffe werden von der EU mit Milliarden Euro subventioniert. Von der Leyen: Wir müssen besser werden, gar keine Frage. Das Klima und die heftigen Reaktionen der Natur in diesem Jahr schreiben es uns ins Stammbuch. Wenn wir uns nicht mehr anstrengen, werden die Folgen dramatisch sein. Wir wissen, dass wir nur eine Chance haben. Deshalb ist es bei der COP26 so wichtig, dass die Verhandlungen erfolgreich verlaufen. Das gilt nicht nur für die Industrienationen. Es ist eben auch wichtig, dass wir die stark wachsenden Entwicklungsländer mitnehmen und sie unterstützen, direkt den Sprung in moderne, saubere Technologien mit einer Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Diesen Kampf gewinnt die Welt nur gemeinsam.
Könnte ausgerechnet der Grüne Deal unter der Uneinigkeit der EU leiden?
Von der Leyen: Ich bin sicher, dass die Menschen das nicht tolerieren werden. Die Folgen des Klimawandels spüren wir alle, die schrecklichen Überschwemmungen des Sommers, die gewaltigen Waldbrände, die Dürren, ein Tornado in Tschechien, der 2000 Häuser zerstört hat. Die Menschen wissen, wie sehr die Zeit drängt. Insofern bleibt nur die Frage, wie wir den Weg technisch und politisch bewältigen können. Die Wissenschaft ist eindeutig. Der Klimawandel ist vom Menschen gemacht, also müssen wir ihn auch wieder stoppen.