Wenn die Dunkelheit den Schlaf raubt
Fehlender Tag-Nacht-Rhythmus bei Blinden – Betroffener schildert die Krankheit Non 24
Oldenburg – Tipps zum Durchschlafen? Gerd Schwesig kennt sie alle. Kein schweres Essen am Abend, viel Bewegung, Schlaftee ... Geholfen hat ihm: nichts. Und auch bei den Ärzten fand er lange kein Gehör. „Phasenweise habe ich wochenlang überhaupt nicht geschlafen“, schildert er. Die Folge: Seine Leistungsfähigkeit
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„Die Story“zum Thema Non 24 finden Sie auf Spotify und unter bit.ly/Non24NWZ
nahm ab, er war häufig gereizt, antriebslos, traf sich nur noch selten mit Freunden.
Diagnose Non 24
Im Jahr 2009 landete auf seinem Schreibtisch – Schwesig ist Leiter für soziale Dienste beim Blindenverband Niedersachsen in Hannover (BVN) – der Brief eines amerikanischen Pharmaunternehmens. Für eine Studie wurden blinde Teilnehmer gesucht, deren Schlafverhalten erforscht werden sollte. „Ich habe mich sofort angemeldet“, erzählt der 49-Jährige. Endlich schien es die Chance zu geben, dem Problem auf den Grund zu gehen.
Ob es Tag ist oder Nacht, nimmt Gerd Schwesig nicht wahr. Er ist vollständig erblindet und dadurch an Non 24 erkrankt.
„Damals habe ich nur noch mit wenigen Menschen über meine extremen Schlafstörungen gesprochen, weil ich häufig auf Unverständnis gestoßen bin“, sagt er. Für die Forschung führte er über einen längeren Zeitraum ein Schlaftagebuch, parallel wurden seine Körperwerte untersucht. Schließlich die Diagnose: Non 24. „Ich hätte schreien können vor Erleichterung, weil mein Leiden endlich einen Namen hatte.“Sofort stimmte er zu, an einer Medikamentenerprobung teilzunehmen. „Und tatsächlich konnte ich endlich wieder schlafen.“Noch heute verrät sein Tonfall, dass dies für ihn an ein Wunder grenzte. Seit zehn Jahren nimmt er das Medikament. „Manchmal werde ich leichtsinnig und denke, mittlerweile könnte ich auch ohne auskommen. Doch sobald ich es absetze, werde ich daran erinnert, wie schlecht es mir früher ging.“
Mehr in der Öffentlichkeit
Ebenso wie Gerd Schwesig ist auch Angela Westphal von der Oldenburger Geschäftsstelle des BVN froh, dass die Krankheit aktuell durch Werbespots im Radio und TV mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Das Oldenburger BVN-Team hat sich in den vergangenen Jahren intensiv über Non 24 informiert, kann heute Ansprechpartner vermitteln und gezielte Informationen geben. „Wir sind in Deutschland gut vernetzt, das ist ein großer Vorteil“, sagt sie.
Als Kind stieß Gerd Schwesig immer wieder irgendwo an. Schließlich diagnostizierte der Augenarzt ein „Juveniles Glaukom“, einen „Grünen Star“in jungen Jahren – eine äußerst seltene Krankheit. Medikamente und Operationen halfen nicht. Mit 16 verlor er sein Augenlicht völlig.
Mediziner sensibilisieren
Trotz der dann folgenden Schlafstörungen und der damit verbundenen Nebenwirkungen hat Gerd Schwesig sein Leben mit viel Engagement angepackt: Er studierte soziale Arbeit, entwickelte das Konzept für Barrierefreiheit auf der Expo 2000 in Hannover, ehe er schließlich seine Tätigkeit im BVN begann. „Irgendwie ging das alles“, wundert er sich selbst über seine Leistungsfähigkeit trotz Non 24. Im Vergleich zu heute aber, sagt er, sei ihm damals vieles schwerer gefallen. Und er weiß von anderen Betroffenen, wie sehr der Schlafmangel auf die Stimmung drückt – bis hin zu Depressionen. „Wir müssen die Aufklärung und die Diagnostik unbedingt verbessern“, wünscht er sich. Dafür ist er auch selbst in Sachen Öffentlichkeitsarbeit regelmäßig unterwegs, unter anderem in Vorlesungen von Medizinstudenten. Denn: „Es ist wichtig, dass die angehenden Mediziner für Non 24 sensibilisiert werden.“