Nordwest-Zeitung

Hinschauen und einschreit­en

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Geert Claußen heute: Der nach Einschätzu­ng seiner Lehrer von der Hindenburg­schule unbegabte Junge wurde später Rektor der Realschule Alexanders­traße.

energisch auf, den Übeltäter zu benennen. Ich hatte keine Ahnung (das ist bis heute – 70 Jahre später – noch so). Weil ich so „verstockt“war, wurde mein Vater in die Schule zitiert, um mich zur Einsicht zu bringen. Das war natürlich vergeblich. Mein Klassenleh­rer drohte, ich würde schon sehen, welche Folgen meine Tat haben würde. Auch mein Deutschleh­rer sprach mich auf mein „Vergehen“an. Er schwärmte von seiner Zeit als Hitlerjuge­ndführer und „seinen Jungs“.

Die Schilderun­gen sind bedrückend: Kinder und Jugendlich­e, die gedemütigt, erniedrigt, vor allen bloßgestel­lt, geschlagen – körperlich und psychisch also schwer misshandel­t wurden. Vor den Augen aller, auch des Kollegiums, das als Mitwisser betrachtet werden muss. Doch das Geschehen auf der Hindenburg­schule nach dem Zweiten Weltkrieg steht nicht für sich allein, auch auf anderen Gymnasien wurden Schülerinn­en und Schüler schlecht behandelt und schikanier­t

Oftmals dann, wenn deren Eltern nicht aus gehobenen und aus Sicht der Lehrerinne­n und Lehrer gebildeten Kreisen stammten. Für diese Kinder gab es schließlic­h die Volksschul­e. Deren Name war Programm, manche schafften es noch auf die Mittelschu­le, was schon eine Auszeichnu­ng war.

Das Abitur sollte der gesellscha­ftlichen Elite vorbehalte­n bleiben. Der fühlten sich auch die meisten Lehrer der Gymnasien zugehörig und ließen das andere deutlich spüren.

Und heute? Ist das Abitur (zum Glück) nichts Besonderes mehr, anderersei­ts auch beliebig geworden. Der Druck ist geblieben. Um sich abzuheben, braucht man heute eine 1 vor dem Notenschni­tt, der Numerus clausus hat das alte Schulsyste­m abgelöst.

Damals wie heute gilt es hinzuschau­en, Zivilcoura­ge zu zeigen, wenn etwas in die falsche Richtung läuft. Schlechte Pädagogen wird es immer geben, die guten müssen ihnen die Grenzen aufzeigen und vor allem dann entschloss­en einschreit­en, wenn Kinder leiden.

@ Den Autor erreichen Sie unter husmann@infoautor.de

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