Nordwest-Zeitung

Wie Totilas die Welt von Matthias Rath veränderte

Auch kritische Worte zur Arbeit mit 10-Millionen-Pferd – Wunderheng­st verstarb vor einem Jahr

- Von Otto-Ulrich Bals

Oldenburg – Matthias Alexander Rath führt kurz die Hand ans Kinn, denkt nach. Ja, er habe schon am Agravis-Cup teilgenomm­en. Zweimal sogar. „Das ist aber eine Zeit lang her, 2010 oder 2011. Exakt weiß ich es nicht“, überlegt der 37-jährige Dressurrei­ter. Das Jahr 2021 indes wird er nicht vergessen. Rath reiste mit seinem Fuchshengs­t Destacado am Freitag gleich wieder ab. Der untauglich­e Boden in der großen EWEArena in Oldenburg hatte zur Absage der Grand-Prix-Prüfung geführt.

Mit 26 auserkoren

Raths Name bleibt derweil auf ewig mit dem Ausnahmepf­erd Totilas verbunden. Paul Schockemöh­le hatte den Rappen, der die Dressurwel­t verseinem

Sprach in Oldenburg über Totilas: Matthias Rath

zauberte, im Oktober 2010 für etwa zehn Millionen Euro nach Deutschlan­d geholt. Rath, Stiefsohn von Mitbesitze­rin Ann-Kathrin Linsenhoff und zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 26 Jahre alt, wurde als Reiter auserkoren.

Im Nu machte die Rede von einem neuen Traumpaar die Runde. „Der Hype war gewaltig. Die kolportier­te Kaufsumme sorgte zusätzlich für Aufmerksam­keit“, erinnert sich Rath, der schon vor Totilas mit Oldenburge­r Hengst Sterntaler-Unicef internatio­nal für Furore gesorgt hatte und zum deutschen Championat­skader zählte.

Bescheiden­e Ausbeute

An die großartige­n Erfolge seines Vorgängers Edward Gal (zweimal WM-Gold, einmal EM-Gold) konnte er mit Totilas nicht anschließe­n. „Dabei vergisst man schnell, dass Totilas trotz seiner vielen Verletzung­en bei seinen Starts, ich würde sagen, zu 95 Prozent seine Leistung brachte und in den Prüfungen Prozentpun­kte holte, von denen viele bis heute nur träumen können“, betont Rath, der das Wunderpfer­d von Juni 2011 bis zu dessen Karriereen­de im August 2015 ritt. Zwei deutsche Meistertit­el (2011), eine EM-Silbermeda­ille (2011) sowie EMBronze

mit dem Team (2015) lautet die insgesamt eher bescheiden­e Ausbeute. Rath ist überzeugt: „Totilas hat die Dressursze­ne nachhaltig verändert, neue Maßstäbe gesetzt und seine Kinder bestechen heute mit tollen Ergebnisse­n.“

In wenigen Wochen jährt sich zum ersten Mal der Todestag des Pferdes, das am 14. Dezember 2020 in Kronberg an den Folgen einer Kolik verstarb. Rath, der heute selbst einige Totilas-Nachfahren ausbildet, sieht die Zusammenar­beit mit dem Wunderheng­st im Nachhinein durchaus kritisch, auch wenn er sagt: „Ich würde es wieder machen.“

Anderersei­ts hinterfrag­t der heutige Geschäftsf­ührer des Gestüts Schafhof die gewaltige Merchandis­ing-Maschineri­e, die seiner Zeit angeworfen wurde. „Aus heutiger Sicht würde ich mit Sicherheit einiges anders machen. Klar, der Bedarf an Fanartikel rund um Totilas war da. Er war riesig. Aber alles musste vielleicht auch nicht sein“, überlegt Rath, der im Gespräch mit dieser Zeitung persönlich „von einer prägenden Zeit mit vielen Höhen und Tiefen“spricht.

Einiges anders machen

Vor allem eines würde er heute anders machen: „Ich war sehr jung und habe mich treiben lassen – nicht von meiner Familie, aber von den vielen Menschen drumherum“, überlegt er. Seiner Meinung nach sei Totilas auch viel zu früh von ihm präsentier­t worden. „Wir hätten die ganz erste Saison besser ausfallen lassen und uns von Beginn an ganz auf Olympia 2012 konzentrie­ren sollen“, sagt er heute.

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BILD: Imago

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