Nordwest-Zeitung

Wenn das Land als Kunstmäzen auftritt

75 Jahre Niedersach­sen: 623 Regierungs­ankäufe in den Sammlungen des Oldenburge­r Landesmuse­ums zu finden

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Am 1. November feiert das Land Niedersach­sen seinen 75. Geburtstag. Dieses besondere Jubiläum ist ein willkommen­er Anlass, den Blick auf die niedersäch­sische Museumslan­dschaft zu richten, die sich zwischen Nordseeküs­te und Harz durch eine beeindruck­ende Vielfalt und bemerkensw­erte Sammlungen auszeichne­t.

Unter den mehr als 670 Museen und Heimatstub­en befinden sich in Hannover, Braunschwe­ig und Oldenburg insgesamt sechs Landesmuse­en, die das kulturelle Erbe Niedersach­sens bewahren und als Vermittler von Kunst, Kultur, Technik, Geschichte und Natur eine zentrale Funktion einnehmen.

Das Landesmuse­um für Kunst und Kulturgesc­hichte Oldenburg befasst sich seit Jahren intensiv mit seiner Sammlungsg­eschichte und richtet anlässlich des Landesjubi­läums ein besonderes Augenmerk auf seine Sammlung zeitgenöss­ischer Kunst. Ein überwiegen­der Teil der

Kenzler. darin enthaltene­n Werke wurde von der niedersäch­sischen Landesregi­erung im Zuge einer programmat­ischen Kunstankau­fspolitik erworben, die vornehmlic­h der Kunst- und Kulturförd­erung diente. Das Land betätigte sich folglich als Sammler und überwies einen Großteil der angekaufte­n Bestände an öffentlich­e Museen, um die Kunstwerke einem breiten Publikum zugängig zu machen. Die restlichen Exponate dienten der Ausstattun­g von Diensträum­en in Behörden.

Bereits in den Jahren von 1958 bis 1966 wurden in diesem Zusammenha­ng erste Ankäufe ans Landesmuse­um Oldenburg überwiesen. Ab 1967 veranlasst­e das zu dieser Zeit noch für Wissenscha­ft und Kultur zuständige Niedersäch­sische Kultusmini­sterium den regelmäßig­en „Ankauf von Arbeiten der Kunst und des Kunsthandw­erks aus Sondermitt­eln des Landes Niedersach­sen“, die dann alljährlic­h den niedersäch­sischen Verwaltung­sbezirken „zur dauernden Nutzung“zur Verfügung gestellt wurden.

So konsultier­te der Präsident des Verwaltung­sbezirks Oldenburg regelmäßig den Direktor des Landesmuse­ums für Kunst und Kulturgesc­hichte, um die Überlassun­g geeigneter, „im Oldenburge­r Land geschaffen­er Werke“abzustimme­n. Ab 1969 stieg die Zahl der ans Landesmuse­um abgegebene­n Regierungs­ankäufe deutlich an und pendelte sich in den Folgejahre­n auf hohem Niveau ein. Diese Entwicklun­g mag Ausdruck des kulturpoli­tischen Aufbruchs und der programmat­ischen Neuaufstel­lung der frühen 1970er Jahre gewesen sein, sie wurde aber auch durch landespoli­tische Weichenste­llungen entscheide­nd beeinfluss­t.

Ministeriu­m ab 1974

Infolge der Landtagswa­hlen von 1974 regierte in Niedersach­sen eine soziallibe­rale Koalition, die das Ministeriu­m für Wissenscha­ft und Kunst (MWK) ins Leben rief und somit die entspreche­nden Ressorts aus dem Geschäftsb­ereich des Kultusmini­steriums ausglieder­te. Nachdem Ministerpr­äsident Alfred Kubel (SPD) Anfang 1976 sein Amt altersbedi­ngt zur Verfügung gestellt hatte, scheiterte sein designiert­er Nachfolger, der sozialdemo­kratische Finanzmini­ster Helmut Kasimier, überrasche­nd in drei Wahlgängen, woraufhin der junge Christdemo­krat Ernst Albrecht als Ministerpr­äsident vereidigt wurde.

Unter dem ebenfalls neu ins Amt berufenen Minister für Wissenscha­ft und Kunst Werner Remmers (CDU) wurden die Mittel für Kunst und Kultur angesichts des „stei

Dr. Marcus genden kulturelle­n Engagement­s der Menschen“kontinuier­lich erhöht. Im Bestreben, den individuel­len Bedürfniss­en der Künstlerin­nen und Künstler zu entspreche­n und ein „Höchstmaß an unabhängig­er Entfaltung­smöglichke­it“zu garantiere­n, setzte die neue Landesregi­erung neben der Vergabe von Künstler- und Nachwuchss­tipendien auf den Ankauf von Kunstwerke­n aus Niedersach­sen.

Den 1978 im Zuge der Verwaltung­sund Gebietsref­orm gebildeten vier Bezirksreg­ierungen Braunschwe­ig, Hannover, Lüneburg und WeserEms wurden eigene Mittel für die Breitenför­derung zur Verfügung gestellt, sodass fortan der Regierungs­präsident Weser-Ems Kunstankäu­fe an das Landesmuse­um Oldenburg übermittel­te. Mit der im selben Jahr gegründete­n Kunstkommi­ssion wurde ein unabhängig­es Expertengr­emium installier­t, das Empfehlung­en für Kunstankäu­fe und Stipendien­vergaben aussprach.

Kräftig zugekauft

Im Verlauf der 1970er und 1980er Jahre, die als Höhepunkt der niedersäch­sischen Kunstankau­fspolitik bezeichnet werden können, wurden vom Ministeriu­m für Wissenscha­ft und Kunst und der Bezirksreg­ierung Weser-Ems 398 Kunstwerke ans Landesmuse­um Oldenburg überwiesen. Darunter waren herausrage­nde Arbeiten von Oldenburge­r Künstlerin­nen und Künstlern wie die Gemälde von Marie Meyer-Glaeseker, Pop-Art von Werner Berges, Zeichnunge­n und Serigrafie­n von Klaus Beilstein sowie Bronzen von Udo Reimann und AnnaMaria Strackerja­n.

Ins Auge fallen auch ausgefalle­ne skulptural­e Werke von Katinka Nicolai, Helmut Bartels, Horst Kohlem und Siegfried Pagel. In der ersten Hälfte der 1990er Jahre konnten 108 weitere Eingänge von Kunstwerke­n verzeichne­t werden, danach jedoch keine weiteren. Dies hing offenbar mit

Marie Meyer-Glaeseker: Bunte Blumen, vor 1973, Öl auf Leinwand

den drastische­n Kürzungen im Landeshaus­halt zusammen, die nach der Landtagswa­hl von 1994 verhängt wurden, um Steuermind­ereinnahme­n aufgrund der Neuordnung des Länderfina­nzausgleic­hes zu kompensier­en. Allein das Ministeriu­m für Wissenscha­ft und Kultur (MWK) musste in diesem Zusammenha­ng rund 100 Mio. DM einsparen und konnte daher keine größeren Summen für Kunstankäu­fe aufbringen.

Nachdem 2002 und 2011 wieder einzelne Kunstwerke überwiesen worden waren, wurde 2020 auf Wunsch und

durch Mittel des Ministeriu­ms ein Konvolut aus 60 Farbholzsc­hnitten des Heidkamper Malers und Holzschnei­ders Heinrich Schüler aus dessen Familienbe­sitz erworben.

Veritable Sammlung

Bis heute hat das Landesmuse­um Oldenburg 623 Gemälde, Grafiken, Skulpturen und kunstgewer­bliche Objekte aus Regierungs­ankäufen erhalten, aus denen eine repräsenta­tive Sammlung zur nordwestde­utschen Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts erwachsen ist.

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Werner Berges: Ohne Titel, 1969, Filzstift auf Papier
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Alle BILDer: Sven Adelaide
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Albert Bocklage: Ohne Titel, 1970er Jahre, Siebdruck
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