Ohne Sicherheitsnetz in Afrika
Herbert Hoddow aus Hude betrieb 20 Jahre in Nigeria eine Spedition
Hude – Ohne Sicherheitsnetz lebte Herbert Hoddow aus Hude als Selbstständiger gut zwei Jahrzehnte in Nigeria. Land und Leute hat er insgesamt anders erlebt, als das hier gezeigte Bild von Afrika.
„Die Medien berichten vor allem von Armut, Hunger, Krankheiten und Bürgerkriegen in Afrika. Das gibt es sicher, aber es leben dort vor allem ganz normale Leute. Manche sind gut, manche nicht so – wie bei uns auch“, sagt der 66-Jährige. Und es wollten nicht alle nach Europa kommen. „Bei einer kleinen Feier in meiner Firma habe ich meinen etwa 20 Angestellten mal im Spaß gesagt, dass ich drei von ihnen mit nach Deutschland nehmen dürfe. Keiner wollte: Was soll ich in Deutschland? Hier habe ich meine Familie und meine Freunde. Und: In Deutschland ist es doch kalt!“Außerdem seien die Nigerianer sehr geschäftstüchtig, jeder sehe sich irgendwie als Unternehmer. „Das schlimmste für meine Angestellten war, wenn es mal keine Arbeit gab“, so Hoddow.
Lukratives Angebot
Aber wie kam der gebürtige Huder eigentlich nach Nigeria? Der Wirtschaftsingenieur war Mitte der 1990er Jahre gerade von einer Weltreise zurück, als ein Freund ihm einen Job in Nigeria anbot. Auf keinen Fall, sei sein erster Gedanke gewesen. Schließlich hatten ihm während seiner Reise alle von Nigeria abgeraten: zu gefährlich. Zum Vorstellungsgespräch ging Herbert Hoddow dann doch – und nach Nigeria, das Angebot eines multinationalen Logistikunternehmens in der Ölstadt Port Harcourt war einfach zu lukrativ.
„An meinem ersten Arbeitstag fragte ich meinen Chef nach einer Tätigkeitsbeschreibung. Er sah mich erstaunt an und sagte: Mach gunur:
te Arbeit und bau ja keinen Scheiß!“, erinnert sich Hoddow. Er bat um eine Liste mit Unternehmen, bei denen er Aufträge einwerben könnte. Schließlich kannte er niemand und Telefonbuch gab es keins. „Bist du ein bisschen durcheinander?“, wollte sein Chef wissen. „Fahr ins Industriegebiet Trans Amadi und klopf an jedes Tor, das du siehst!“
Einfach machen
Am ersten Tor machte ihm ein erstaunter Mann auf: „Oyibo (weißer Mann), was willst du?“Er führte Herbert Hoddow zu seinem Chef, auch einem Oyibo. Der wollte ein Angebot über den Transport eines Bohrkopfs nach Houston, Texas. Am nächsten Tag kam Hoddow mit seinem Angebot wieder. Der Chef sagte
„Nimm den Karton mit dem Bohrkopf da mit und schick mir die Rechnung.“
Das war Ende der 1990er Jahre. „Die Ölindustrie lief gut, auf ein paar Dollar kam es nicht an, Hauptsache die Förderung lief“, erzählt Hoddow. Mit dem Ende der Diktatur änderte sich das. „Für die Nigerianer bedeutete Demokratie, dass sie alles durften. Da zogen Gruppen von Jugendlichen durch die Firmen und zwangen die Unternehmer nur Leute aus ihrer Community (Gemeinde) einzustellen.“
Viele internationale Unternehmen verließen daraufhin das Land – auch Hoddows Arbeitgeber. Der Huder fand das nicht witzig und bekam von seinem ehemaligen Chef einen Kredit, um sich selbstständig zu machen. Die ersten Jahre waren nicht einfach.
„Immer wenn ich etwas Geld zusammen hatte, brannte jemand damit durch oder sonst was. Ich sagte mir immer, den Fehler machst du nicht wieder. Habe ich auch nicht, aber dann kam der nächste Fehler. Ich musste alle Erfahrungen selbst machen, ein Handbuch gab es nicht“, lacht Hoddow.
Unerwartete Hilfe
Unerwartete Hilfe erhielt er einmal von einem Anwalt. Der löste sein Problem mit dem CLO, Community Liaison Officer, einem Mann aus der Gemeinde, der darüber wachte, dass alles in deren Sinn lief, indem er den Pastor zum CLO machte, denn „mit Gott wollte sich keiner anlegen.“Von da an herrschte Ruhe in Hoddows Spedition.
Doch im Land entwickelte sich die Situation nicht so positiv. Der Ölpreis verfiel, die Währung wurde abgewertet, Weiße wurden entführt. „Ich konnte nicht mehr Hochseefischen und nur noch mit dem Auto herumfahren, weil ich günstig ein gepanzertes gebraucht kaufen konnte“, berichtet Hoddow. Da sagte er sich: „Hast ’ne schöne Zeit gehabt, aber jetzt ist es gut.“Er zog mit seiner nigerianischen Frau zurück nach Hude, wo er ein Buch über seine Afrika-Erlebnisse schrieb.
„The Fucking Paradise“von Herbert Hoddow, Books on Demand, im Buchhandel sowie online erhältlich.