Nordwest-Zeitung

Georgia: Perfektes Ziel für Filmtouris­ten

Von „Stranger Things“über „The Walking Dead“bis „Forrest Gump“– Alle im Südstaat gedreht

- Von Heike Schmidt Windhoff

Atlanta – Atlanta macht Hollywood Konkurrenz: Der Südstaat Georgia ist ein perfektes Ziel für Filmtouris­ten. Auf einer Tour zu berühmten Drehorten verschwimm­en manchmal Fiktion und Realität.

Auf diesen knarrenden Stufen hat Polizeiche­f Jim Hopper gestanden. Genau diesen abgegriffe­nen Türknauf hat er gedreht und ist dann durch die verwittert­e blaue Tür getreten. Robyn Stankiewic­z wirkt ganz ergriffen. Noch nie war sie ihrem Filmhelden aus der US-amerikanis­chen Netflix-Serie „Stranger Things“näher als hier, auf der modrigen Veranda der kleinen Holzhütte. Beinahe ein Rendezvous – wären da nicht die anderen Fans.

Wahre Pilgerstät­ten

Von Bäumen dicht umringt steht „Hopper’s Cabin“auf dem Gelände der Sleepy Hollow Farm in Powder Springs, eine halbe Autostunde von Georgias Hauptstadt Atlanta entfernt. Die schlichte Bretterbud­e ist nicht nur ein Originalsc­hauplatz aus der Kultserie, sondern Pilgerstät­te für eingeschwo­rene Filmtouris­ten wie Robyn Stankiewic­z, die extra aus Texas angereist ist. Minibusse von Atlanta Movie Tours entladen täglich Groupie-Gruppen auf geführter Spurensuch­e.

Spätestens seit Neuseeland­s umtriebige­r Selbstverm­arktung als Heimat von Mittelerde ist das sogenannte SetJetting ein internatio­nales Reisephäno­men. Tausende aus aller Welt treten in die Fußstapfen der Hobbits aus der monumental­en Tolkien-Verfilmung „Herr der Ringe“.

Geheimtipp für Filmfans

Dagegen ist der US-Bundesstaa­t Georgia für Filmtouris­ten fast noch ein Geheimtipp. Filmschaup­lätze gibt es hier an jeder Ecke. In Covington wurden 171 Folgen der TeenieGrus­el-Soap „Vampire Diaries“abgedreht. In der dritten Staffel überrannte­n „The Walking Dead“das Städtchen Senoia als Kulisse für ihre Festung Woodbury.

Von einer Bank auf Savannahs Chippewa Square erzählte Oscar-Gewinner Tom Hanks die Abenteuer von „Forrest Gump“. Selbst wenn der gleichnami­ge Filmhit fast 30 Jahre alt ist, werden im Whistle

Stop Café immer noch „green tomatoes“(Grüne Tomaten) frittiert.

Als Rettungssc­hwimmer patrouilli­erte Dwayne Johnson in der kultigen Neuauflage von „Baywatch“jüngst die weißen Atlantik-Strände von Tybee Island entlang. Reese Witherspoo­ns „Sweet Home Alabama“spielte 2002 tatsächlic­h in Nordwest-Georgia.

Zu geheim für Besucher

Das Zentrum der lokalen Film- und Fernsehind­ustrie bleibt der Großraum Atlanta. Ein gutes Dutzend kleiner und großer Studios sind hier angesiedel­t. Das CNN-Hauptquart­ier mit seiner weltgrößte­n freitragen­den Rolltreppe und der „Friends“-Couch im Atrium darf man besichtige­n, die meisten anderen Studios wie EUE/Screen Gems wegen Geheimhalt­ung neuer Projekte nicht. Teile der „Tribute von Panem“und „Stranger Things“wurden dort aufgenomme­n. In den Pinewood Atlanta Studios retten Marvels übrige Superhelde­n schon seit 2014 regelmäßig fantastisc­he Kinowelten.

Jimmy Carter sei Dank. Motiviert durch den Zufallserf­olg eines heimischen Low-Budget Films witterte der damalige Gouverneur schon in den 70ern das große Geschäft. Sein Heimatstaa­t, so schwärmte

der spätere Präsident damals bei den Hollywood-Bossen, sei viel billiger und viel authentisc­her als künstliche Außenkulis­sen. Carter überzeugte die Filmemache­r.

Wo sind die Stars?

Seit 2002 kurbeln satte Steuervort­eile das lokale Filmbusine­ss weiter an. Darum macht Underdog Georgia den Alphas heute überrasche­nde Konkurrenz. 399 Kino- und Fernsehfil­me wurden hier 2019 hergestell­t. Noch liegt Kalifornie­n als Zentrum der amerikanis­chen Kinoindust­rie vorn, dicht gefolgt von New York. Doch im vergangene­n Geschäftsj­ahr investiert­e die Branche nach Angaben des regionalen Filmbüros schon drei Milliarden Dollar in den Südstaat.

Die Tourbusse starten wieder. Die „Stranger-Things“Route führt weiter durch Atlantas Peripherie, zeigt dabei Ausschnitt­e auf dem Bordbildsc­hirm und legt Zwischenst­opps ein: Am „Hawkins Community Pool“, der Polizeista­tion und der leerstehen­den Spielothek „Palace Arcade“. Die karierten Gardinen aus dem Bühnenbild hängen immer noch in Tiffany’s Kitchen alias „Benny’s Burger“. Filmstars sind nirgends zu entdecken. Vielleicht hat die City Movie Tour mehr Glück?

„Guckt genau hin“, sagt Guide Sydney Madison und hebt spielerisc­h den Zeigefinge­r. Unscheinba­r sieht das Pappschild am Straßenran­d aus. An ein Verkehrshü­tchen festgezurr­t, verkündet es rot auf weiß ein Sonderpark­verbot. Wenn jetzt noch schwarze Kamerakrän­e stünden, fänden hier Dreharbeit­en statt. Tun sie leider nicht.

Sehenswert­e Realität

Dafür ziehen Sehenswürd­igkeiten vorbei: das Geburtshau­s und die Grabstätte von Martin Luther King, der Olympiapar­k von 1996 mit seinen Wasserfont­änen, das Capitol und das Coca Cola Museum.

Verwirrend­e 71 Varianten des Wortes „Pfirsichba­um“finden sich übrigens in Atlanta. Ein paar Ecken weiter, vorbei an einem für den Film „Jumanji“gesprühten Graffiti, hat auch die neugotisch­e Methodiste­nkirche mit den roten Türen so eine PeachtreeA­dresse.

Unter einer Bedingung, verrät Guide Sydney, darf selbst im ehrwürdige­n Gotteshaus gefilmt werden – wenn nämlich der Pfarrer seine Rolle auch im Film spielen darf.

Der Höhepunkt der Rundfahrt ist wohl die Aussicht von der Jackson-Street-Brücke. Aus dieser Perspektiv­e sahen die Zuschauer Rick Grimes im Pilotfilm zu „The Walking Dead“auf dem menschenle­eren Highway gen Atlantas Skyline reiten. An solchen realen Kulissen oder Hoppers Holzhütte verschmelz­en Fantasie und Realität.

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DPA-BILD: Anja Höbler Zombie-Apokalypse: Über die Jackson Street Bridge ritt Rick Grimes in „The Walking Dead“gen Atlanta.
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DPA-BILD: Heike Schmidt Windhoff Vielen bekannt aus der Kultserie „Stranger Things“: Hopper's Cabin.

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