Granaten-Fund: Spielplatz wurde niemals untersucht
Firma hatte Prüfauftrag nur für Teil des betroffenen Geländes
Oldenburg – Könnten auf dem Spielplatz der Kita „An der Beverbäke“auf dem ehemaligen Kasernengelände in Neu-Donnerschwee noch mehr ausgediente Kampfmittel liegen? Auszuschließen ist das laut Hans Warfsmann, Geschäftsführer der Kampfmittelbergung GmbH (KMB), nicht.
Seine Fachfirma war 2015 mit der Sondierung des Grundstücks beauftragt worden. Allerdings: Flächendeckend untersucht wurde nur der Teil, der bebaut werden sollte. Auf dem mehrere Hundert Quadratmeter großen angrenzenden Gebiet, das heute der Kita-Spielplatz ist, wurden lediglich vier Verdachtspunkte sondiert. „Wir haben dort also lediglich 16 Quadratmeter untersucht“, sagt Warfsmann. Er fragt sich, wie es sein kann, dass dort ohne erneute Sondierung ein Kinderspielplatz entstehen konnte und wer dafür verantwortlich ist.
Die Stadt Oldenburg äußert sich vorerst nicht weiter zu dem Fall. Man wolle erst einmal alle Hintergründe in Erfahrung bringen und sich einen genaueren Überblick verschaffen.
Denn anders als ursprünglich von der Stadt geschildert, wurde das Grundstück nicht untersucht, als es noch dem Investor Gerald Breschke gehörte. Die Überprüfung fand zwischen 2015 und 2016 statt. Die Stadt hatte das Grundstück bereits 2014 gekauft.
„In Auftrag gegeben wurde die Sondierung jedoch von dem Investor“, sagt Warfsmann, dem die entsprechenden Verträge vorliegen. Auf Anfrage unserer Zeitung äußerte sich Breschke bisher jedoch nicht.
Bereits am vergangenen Freitag hatte ein Fünfjähriger die britische Handgranate aus dem Zweiten Weltkrieg ausgegraben – nach eigenen Angaben fand er sie in etwa 30 Zentimentern Tiefe. Weil sie in so einem schlechten Zustand war, dass er sie für einen Stein hielt, hatte er sie mit nach Hause genommen. Dort erkannten seine Eltern die Granate und meldeten den Fund der Polizei.
Im Nordwesten – Eine Pfeffermühle, eine alte Ölflasche und eine Flasche, in der vermutlich einmal Schnaps eingefüllt war – falsch: Es handelt sich nicht um harmlose Alltagsgegenstände, sondern um Granaten und Minen aus dem Zweiten Weltkrieg, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sehen. Der aktuelle Fall eines Fünfjährigen, der im Sandkasten eines Oldenburger Kindergartens eine Handgranate gefunden und diese mit nach Hause genommen hat, weil er sie für einen Stein hielt, zeigt: auch heute noch sind Funde von Altlasten aus dem Zweiten Weltkrieg möglich.
Tomas Hauschild von der Außenstelle Wardenburg des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Niedersachsen hat für das Gespräch mit unserer Redaktion bewusst Kampfmittel herausgesucht, die mit Alltagsgegenständen verwechselt werden können. Denn die Sprengkörper können auch heute noch detonieren und Menschen schwer verletzen oder töten. „Die kleinste Berührung oder Verlagerung kann eine Explosion auslösen“, warnt Hauschild. Deswegen gilt: Bei einem Verdacht nicht weiterbuddeln, sondern sofort die Polizei verständigen.
■ Risiko im Holz
Auf dem Tisch besonders auffällig ist ein Stück Holz, das um ein Zwei-Zentimeter-Geschoss herumgewachsen ist. „Dies war das meist verwendete Sprenggeschoss im Zweiten Weltkrieg und wurde von allen Kriegsparteien genutzt“, weiß Hauschild. Auch wenn sie nicht groß sind, die Splitterwirkung ist verheerend. Dazu kommt, dass vor allem bei verrosteten Kampfmitteln schwer zu erkennen ist, welcher Zünder verwendet wurde und in welchem Zustand dieser ist. Da es so klein ist, ist es auch möglich, dass es im Holz verwachsen ist – mit fatalen Folgen: „Es ist schon passiert, dass nicht untersuchtes Holz in den Ofen getan wurde, und dann ein solches Geschoss explodiert ist“, berichtet Hauschild. Bei Holz vom Händler kann dies jedoch nicht passieren: Das Holz wird vorher auf Metall untersucht, auch um die Sägen zu schützen.
■ Gefahr in Stadt gering
Die Gefahr, auf Kampfmittel zu treffen, schätzt Hauschild für die Stadt Oldenburg als relativ gering ein: „Oldenburg wurde kampflos übergeben und die Bombenangriffe haben sich vorwiegend auf den Fliegerhorst, das Bahndammgelände in Krusenbusch und den Bahnhof beschränkt“, blickt Hauschild zurück. Möglich seien Funde theoretisch jedoch überall, aus einem ganz einfachen Grund: „Nach dem Krieg durfte niemand Waffen besitzen, also haben sich viele Soldaten ihrer Waffe samt Munition entledigt und sie entweder vergraben oder in ein Gewässer geworfen“, sagt Hauschild.
■ Keine Dokumentation
„Die letzte Bombe oder Granate wird nie gefunden werden“, sagt Hauschild. Das klingt erstmal pessimistisch, ist aber nur realistisch. Denn während des Krieges und in den Jahren danach, bis 1955, wurden Funde und Entschärfungen nicht oder nur ungenau dokumentiert.
Allein die Menge an Bomben, die im Zweiten Weltkrieg über Deutschland abgeworfen wurde, und die Tatsache, dass laut Schätzungen zehn bis 20 Prozent davon Blindgänger sind, lassen das Vorhaben, irgendwann alle Kampfmittel gefunden zu haben, unmöglich erscheinen. Es bleibt nur, alles dafür zu tun, damit die Altlasten verschwinden: „Bei jeder Baumaßnahme mit einem Bodeneingriff sollte zur Gewährleistung der Baugrundsicherheit eine Kampfmittelerkundung gemacht werden“, sagt Hauschild.
So gefährlich Verwechslungen sein können, gibt es auch den umgekehrten Fall: „Es kommt vor, dass Leute beim Graben vermuten, auf eine Tellermine gestoßen zu sein. Dabei handelt es sich jedoch oft um einen alten Schirmständer“, berichtet Hauschild.