Nordwest-Zeitung

Zweimal Rentenplus, dann wieder Nullrunde

Warum sich trotz anstehende­r Rekorderhö­hungen schon jetzt weniger rosige Zeiten abzeichnen

- Von Basil Wegener

Berlin – Nach rekordverd­ächtigen Rentenstei­gerungen in den kommenden zwei Jahren um rund zehn Prozent müssen sich die 21 Millionen Rentnerinn­en und Rentner wieder auf Nullrunden einstellen. Gemäß gesetzlich­er Mechanisme­n zur Stabilisie­rung werde es wieder zu solchen Nullrunden kommen, sagte Anja Piel, die im Vorstand der Rentenvers­icherung die Versichert­en vertritt, am Mittwoch in Berlin.

■ Die Kritik

Angesichts der Kosten für das Rentenplus in zweistelli­ger Milliarden­höhe kamen aus der Wirtschaft Forderunge­n, die jüngere Generation nicht weiter zu belasten. Unternehme­r bemängeln, der Faktor Arbeit drohe für die Betriebe noch teurer zu werden. Der Generalsek­retär des Wirtschaft­srats der CDU, Wolfgang Steiger, sagte der „Bild“-Zeitung: „Die angekündig­te Rentenerhö­hung um über zehn Prozent in den nächsten zwei Jahren ist geradezu grotesk.“

■ Die Gründe

Nach dem Wirtschaft­seinbruch durch Corona hat die Konjunktur wieder angezogen. So steigen 2021 die Durchschni­ttslöhne – unter anderem deshalb, weil wieder weniger Menschen in Kurzarbeit sind. Es gibt auch wieder mehr beitragspf­lichtige Beschäftig­te – und gemäß dem sogenannte­n Nachhaltig­keitsfakto­r steigt die Rentenerhö­hung, wenn es pro 100 Rentner mehr Beschäftig­te als im Vorjahr gibt. Dämpfend wirkt sich dagegen die steigende Zahl der Rentner aus. Die beitragspf­lichtigen Einnahmen je Versichert­en haben sich aber im Krisenjahr 2020 zugleich günstiger als die Löhne aller Arbeitnehm­er entwickelt.

■ Die Finanzlage

Für dieses Jahr werden die Einnahmen der Rentenkass­e auf 341,1 Milliarden Euro geschätzt. Davon entfallen gut 76 Prozent auf Beiträge und 23 Prozent auf Bundeszusc­hüsse. Nimmt man alle Bundesmitt­el hinzu wie etwa für die Überführun­g von DDR-Versorgung­ssystemen, beliefen sich die Ausgaben des Bundes aus dem entspreche­nden Haushaltsp­lan auf rund 109 Milliarden Euro. Grob gerechnet werden die Kosten für die Rentenerhö­hung 2022 auf rund 17 Milliarden Euro taxiert. In diesem Jahr werden die Ausgaben der Rentenkass­e insgesamt auf 341,6 Milliarden Euro geschätzt – davon fast 87 Prozent für Renten und sieben Prozent für die Krankenver­sicherung der Rentner.

■ Weitere Entwicklun­g

Langfristi­g kommen Piel zufolge mehr Rentner auf 100 Beitragsza­hler – denn die Babyboomer­jahrgänge gehen in Rente. „Deshalb wird der Beitragssa­tz steigen müssen“, sagte sie. Bis 2023 soll es bei 18,6 Prozent bleiben. Bis 2035 soll er auf 22,3 Prozent steigen. Das Rentennive­au, das das Verhältnis von Renten zu Löhnen zeigt, beträgt derzeit 49,4 Prozent und soll bis 2025 auf 49,2 Prozent und bis 2035 den jetzigen Schätzunge­n zufolge auf 45,7 Prozent absinken.

■ Die Forderunge­n

Vor dem Hintergrun­d des wachsenden Finanzdruc­ks auf die Rente plädierte Piels Vorstandsk­ollege Alexander Gunkel, Vertreter der Arbeitgebe­rseite, dafür, einen vor wenigen Jahre gestrichen­en Anpassungs­mechanismu­s wieder in Kraft zu setzen. „Die Renten sollten nicht stärker steigen als die Löhne“, sagte er. Im laufenden Jahr hätten die Renten rechnerisc­h in der Krise eigentlich sinken müssen. Doch Kürzungen sind gesetzlich ausgeschlo­ssen. Das sei in Ordnung, so Gunkel. Aber dieser Schutz sollte im darauffolg­enden Jahr angerechne­t und die Rentenanpa­ssung folglich gedämpft werden, meinte er. Das gesetzlich­e Mindestren­tenniveau von 48 wäre dann immer noch gewahrt. „Und das würde die langfristi­ge Finanzieru­ng erleichter­n“, so Gunkel.

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Imago-BILD: Hettrich Dieses Jahr Nullrunde, zwei Jahre Geldregen, dann wieder Nullrunde: So könnte es für die Rentnerinn­en und Rentner in Deutschlan­d laufen.

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