Streit bei VW schaukelt sich weiter hoch
Tiefe Gräben zwischen Management und Betriebsrat – Kritik an Chef Herbert Diess
Wolfsburg – Der neu aufgeflammte Streit zwischen VWChef Herbert Diess und mehreren Mitgliedern des Aufsichtsrats verschärft sich offenkundig weiter. Kurz vor einer Informationsveranstaltung für die Belegschaft am Stammsitz Wolfsburg machten am Mittwoch abermals Spekulationen die Runde, wonach der Manager mit dem Betriebsrat und dem Land Niedersachsen aneinandergeraten sein soll.
Dass der Vorstandsvorsitzende womöglich in Ungnade gefallen sei, wollte in Konzernkreisen niemand offen sagen. Aber die Stimmung, so hieß es bei mehreren Personen im Umfeld der Kontrolleure, sei denkbar schlecht.
■ Misstrauen (?)
Nach Informationen des „Handelsblatt“etwa sollen führende Köpfe bei einer Besprechung in der vergangenen Woche Diess sogar ihr Misstrauen ausgesprochen haben. Vorbereitet sei inzwischen außerdem, den Vermittlungsausschuss im Aufsichtsrat mit der Vorstandsbesetzung zu befassen. Dass solche Verfahrensschritte förmlich schon eingeleitet worden seien, dementierte eine Quelle. Unablung hängig davon und ganz allgemein sei man jedoch zunehmend irritiert vom Verhalten des Konzernchefs. Von anderer Seite hieß es, es liefen in einem kleineren Kreis vertrauliche und konstruktive Gespräche zum weiteren Vorgehen.
■ Stil kritisiert
Der Haussegen bei Volkswagen hängt bereits seit einigen Wochen erneut schief. Vor allem Betriebsräte bemängeln den Kommunikationsstil von Diess und fühlen sich laufend provoziert. Unterstützer des Managers halten mit Blick auf die Lage am unterausgelasteten Stammsitz Wolfsburg seine Weckrufe zur Kostensituation dagegen für durchaus angebracht.
Ende September hatte Diess bei einer Aufsichtsratssitzung eine Zahl von angeblich bis zu 30 000 gefährdeten Jobs bei VW ins Spiel gebracht.
Anschließend betonte er allerdings, das sei lediglich als mögliches „Extremszenario“gemeint gewesen, falls das Unternehmen in den nächsten Jahren nicht deutlich effizienter werde und den Umbruch in Richtung E-Mobilität und Digitalisierung entschlossen fortsetze.
■ Versammlung heute
Zu der für diesen Donnerstag geplanten Betriebsversammwollte Diess zunächst nicht kommen, sondern einen Termin bei US-Investoren vorziehen. VW-Betriebsratschefin und -Aufsichtsrätin Daniela Cavallo kritisierte ihn deshalb ungewöhnlich scharf und warf ihm vor, sich gerade in der aktuellen Gemengelage aus Produktionsausfällen, Kurzarbeit und Branchenwandel nicht für die Sorgen der Belegschaft zu interessieren. Später kündigte der Manager doch sein Erscheinen an.
In der Sache ist derweil klar, dass sich der größte deutsche Konzern in den kommenden Jahren stark wandeln muss. Am Donnerstag soll die Belegschaft nun über den weiteren Kurs informiert werden, Diess will dabei auf Fragen der Beschäftigten eingehen.
Die Mitarbeitervertretung erwartet dazu auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und IGMetall-Chef Jörg Hofmann, die beide im VW-Aufsichtsratspräsidium sitzen.
■ Vertrag verlängert
Der 63-jährige Diess hatte gerade im Sommer einen neuen Vertrag bekommen – zuvor soll er eine vorzeitige Verlängerung eingefordert haben. Mehrere Aufsichtsräte fühlten sich durch diese und andere Vorstöße unter Druck gesetzt.