Corona überfährt die Ampel
Nicht nur Politiker wissen es aus vielen leidvollen Erfahrungen: Ist das Image erst einmal kaputt, kann man anschließend noch so viel richtig machen, man kriegt beim Publikum kaum noch ein Bein auf die Erde. Das droht auch der entstehenden Ampel-Koalition. Denn sie wird gerade von Corona überfahren.
Angesichts der explodierenden Infektionszahlen, der rapide sich füllenden Intensivstationen und der immens steigenden Zahlen von Toten gehört nicht viel Fantasie zu der Vorstellung, wie das bei ungebremster Entwicklung in vier Wochen aussehen wird. Also dann, wenn die neue Koalition die Regierung übernehmen will. Dann werden die täglichen Katastrophenmeldungen auf das erste Signal prallen, das die neue Ampel-Mehrheit in Sachen Corona gesetzt hat: Es gibt keine epidemische Lage von nationaler Tragweite mehr. Während die vierte Corona-Welle mit mehr Opfern tobt als alle anderen zuvor, erweckt die Ampel den Eindruck, Corona sei vorbei. Krasser können Politik und Wirklichkeit nicht auseinanderfallen.
Im Kleingedruckten bauen die künftigen Koalitionäre eiligst vor. Sie wollen noch vor der Nicht-Verlängerung der gesetzlichen Epidemie-Einstufung ein Übergangsgesetz machen, das den Ländern weiterhin den Rahmen für Eingriffe liefert. Verbunden sein soll das mit einem automatischen Auslaufen bis zum März. Als Ergebnis werden gerade diejenigen, die immer noch Zweifel an den Segnungen des Impfschutzes haben, genau das tun, was sie bisher schon bevorzugten: nicht das Kleingedruckte lesen, das zu besserer Erkenntnis verhilft. Ihnen reicht die Botschaft: Die PandemieLage ist zu Ende.
In dieses Problem sind Rot-Grün-Gelb sehenden Auges gestolpert. In ihrem zwölfseitigen Sondierungspapier war ihnen die Pandemie nur eine halbe Zeile wert: Dass sie Lehren aus den Erkenntnissen der Pandemie für künftige Herausforderungen ziehen wollen. Sie hatten die Pandemie offenbar abgehakt. Doch die neue Super-Dynamik war bereits im Gange, als drei Sondierer von SPD, Grünen und FDP vor die Kameras traten und verkündeten, es werde mit ihnen keine Schulschließungen, Lockdowns und Ausgangssperren mehr geben. Denn es gebe keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit mehr.
Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, die so oft schon seit März 2020 erneuerte gesetzliche epidemische Lage angesichts der tatsächlichen epidemischen Entwicklung ein letztes Mal zu verlängern – verbunden mit der Ankündigung, diese umgehend als neue Regierungsmehrheit bis zum Frühjahr durch differenziertere Gesetze abzulösen. So aber dürften die Ampel-Koalitionäre in eine Lage geraten, in der sie ihre eigenen Worte aufessen möchten. Aber niemand bekommt eine zweite Chance, um einen guten ersten Eindruck zu machen.