Brandspuren erzählen bewegte Geschichten
Ausstellung im „Oldenburger Plakatherbst“– Alte Filmplakate aus niedersächsischem Salzstock geborgen
Diese Geschichte beginnt ganz unten in dunkler Zeit, genauer gesagt in 430 Metern Tiefe im Jahr 1943. Nazideutschland befindet sich zu diesem Zeitpunkt im alles vernichtenden Krieg längst auf dem Rückzug aus vielen besetzten Gebieten in ganz Europa, im Januar beschließen die Westalliierten Luftangriffe auf deutsche Städte, am 18. Februar fordert NS-Propagandaminister Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast den „totalen Krieg“. Es ging also erst mal darum, seine eigene Haut zu retten.
Mitarbeiter des Reichsfilmarchivs in Berlin hatten derweil noch andere Sorgen. Seit die massiven Luftbombardements auf die Hauptstadt zunahmen, wurde in Berlin und Babelsberg damit begonnen, Filmrollen, besondere Werbeplakate und Grafiken auszulagern. Die Materialien wurden zunächst nach Polen gebracht, wo aber die Wehrmacht schnell den Aufbewahrungsort beanspruchte. Schließlich wurden die Sammlung in den Westen geschafft und in einem Steinsalzbergwerk nahe Grasleben bei Helmstedt im heutigen Niedersachsen deponiert. Dieser Ort wurde aufgrund seiner warmen und trockenen Luft als Schutzraum für das Material ausgewählt. Salzstollen eignen sich besonders für die Lagerung. Deshalb wurde die Sammlung des Archivs in 430 Meter Tiefe verfrachtet.
„Die ganze Geschichte ist sehr spannend und erinnert ein wenig an den HollywoodFilm ,Monuments Men’“, sagt Rolf Aurich von der Deutschen Kinemathek in Berlin. Darin wurde die Geschichte der Monuments, Fine Arts, and Archives Section erzählt, einer Abteilung zum Schutz von Kunstgütern im Krieg. Die Dreharbeiten 2013 fanden zu großen Teilen im Harz statt.
Im regen Austausch
Als Kurator der Ausstellung „Brandspuren“, die vom 20. November bis 12. Dezember im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte im Oldenburger Schloss zu sehen sein wird, kennt er die ganze Geschichte des cineastischen Coups. „Das 1934 gegründete Reichsfilmarchiv war das erste zentrale staatliche Filmarchiv in Deutschland. Vor dem Hintergrund nationalsozialistischer Propaganda wurde eine umfangreiche Sammlung an Filmen angelegt und der internationale Filmaustausch angeregt“, berichtet Aurich.
Nach dem Sieg der Alliierten drangen amerikanische Sondereinheiten in das Bergwerk ein und transportierten vor allem filmische Materialien ab. Im Juni 1945 brach im Stollen ein Feuer aus. Was den Brand auslöste, konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden.
Erst mehr als 40 Jahre später erinnerte man sich an den Schatz von Grasleben. In drei Begehungen seit 1986 konnten viele Materialien der Filmreklame-Zensurbehörde, darunter Reste von etwa 70 Filmplakaten, geborgen werden.
Drei Begehungen
In den Jahren 2017 und 2019 wurde weiteres filmisches Material geborgen. Aus den Überbleibseln der 70 gefundenen Filmplakate konnten 24 in aufwendiger Handarbeit wieder zusammengesetzt und restauriert werden. Die Fundstücke stammen aus den 1910erbis 1930er-Jahren.
„Eine Restauration solch alter Stücke ist kompliziert“, stellt Rolf Aurich fest. Das Plakat muss zunächst gewässert werden, damit das Salz des Stollens und die Rußpartikel vom Brand aus dem Papier herausgewaschen werden. Dann muss es trocknen, wird aufkaschiert – und die Puzzlearbeit kann beginnen.
Spannender Doku-Film
Wie heißt es doch in Abwandelung eines Sprichwortes: Reden über Film ist Silber, Zeigen ist Gold. Deshalb wird am 28. November während der Ausstellung „Brandspuren“in Oldenburg erstmals die Dokumentation „Das Reichsfilmarchiv – Geschichte einer deutschen Institution“in Anwesenheit des Regisseurs Heinrich Adolf zu sehen sein. Spannende Einblicke in die geologische Unterwelt und viel Licht in ein dunkles Kapitel deutscher Filmgeschichte sind garantiert.