Vorhang auf, Bühne leer
Warum sich potenzielle Bewerber um den CDU-Vorsitz bislang zurückhalten
Als die Langzeit-Vorsitzende Angela Merkel ankündigte, ihren Platz als CDU-Chefin zu räumen, dauerte es nur Minuten, bis die ersten Nachfolge-Bewerbungen auf dem Tisch lagen. Nun macht Kurzzeit-Vorsitzender Armin Laschet den Weg frei, doch auch fünf Wochen nach seiner Ankündigung will noch kein potenzieller Bewerber offiziell auf die Lichtung.
An diesem Samstag begann sogar bereits die Frist für die förmliche Nominierung. Der Vorhang ging auf, doch die Bühne blieb leer. Ausgerechnet jenes Verfahren, das durch eine Mitgliederbefragung so transparent und öffentlich sein soll wie selten zuvor, zeichnet sich erst einmal durch hektische Hinterzimmergespräche aus.
Aus den Kreisen möglicher Bewerber war am Sonntagnachmittag ein „heute nicht“zu vernehmen. Erst einmal sondieren die potenziellen Kandidaten die Lage in zwei Richtungen. Die eine weist auf heimatlichen Kreisverbände, denn nur Gremien, keine Einzelpersonen, können seit Samstag Vorschläge einreichen. Die andere Richtung der CDU-internen Sondierungen zielt auf die Teambildung. Dass bisher mit Ralph Brinkhaus, Carsten Linnemann, Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Jens Spahn ausschließlich Männer aus NRW für die Nachfolge eines Mannes aus NRW im Gespräch sind, kommt bei der traditionell auf föderalen Ausgleich achtenden Partei nicht so gut an. Und das völlige Fehlen von Frauen gilt ebenfalls als Armutszeugnis für eine Partei, die sich neu und zeitgemäß aufstellen muss, wenn sie die Wahlniederlage vom 26. September überwinden will.
Noch steht vielen Akteuren die schonungslose Akzeptanz des Geschehenen erst bevor. Das macht eine Analyse der Wahlkreisergebnisse deutlich. Mit einer einzigen Ausnahme (der von Mario Czaja in Berlin) erlebten alle Direktkandidaten Minus-Zahlen. Die Niederlage ist überall zu greifen. Nicht nur generell auf Bundes- oder Landesebene, sondern in jeder einzelnen Region für jeden einzelnen Bewerber.
Also tun diejenigen, die die Partei wieder hochbringen wollen, gut daran, den Blick über NRW hinaus zu weiten. Sie sollten sich nicht allein auf den Sattel schwingen, sondern an einem Team, mindestens an einem Tandem basteln. Ein Hauptaugenmerk richtet sich wegen des akuten Bewerberinnenmangels natürlich auf die Frage, ob eine der vielen fähigen Frauen offen zusammen mit einem der möglichen Bewerber um den Vorsitz Verantwortung an der Spitze der CDU übernehmen möchte.
Möglich wäre das etwa, indem ein männlicher Bewerber bereits mit einem Vorschlag für eine Generalsekretärin auf die Bühne kommt. Da werden die Kieler Bildungsministerin Karin Prien, die Fraktionsvizes Nadine Schön und Katja Leikert und die bisherigen Staatsministerinnen im Kanzleramt, Monika Grütters (Kultur) und Annette Widmann-Mauz (Integration), gehandelt.
Am weitesten mit seinen Überlegungen scheint Friedrich Merz zu sein. Er habe seine Neigung zur Kandidatur am Samstagabend intern bereits deutlich gemacht, wird berichtet. Er ist zugleich derjenige, der sich jeden Schritt am gründlichsten überlegen dürfte, nachdem er schon zweimal knapp unterlegen war: Ende 2018 musste er sich Annegret Kramp-Karrenbauer geschlagen geben, Anfang 2021 Armin Laschet. Allerdings war bei beiden Parteitagen die Vermutung weit verbreitet, dass es jedes Mal Merz geworden wäre, wenn die Mitglieder zuvor gefragt worden wären. Auch dieses Mal ist die Erwartung bei vielen Anhängern eindeutig: Merz macht’s.
Freilich stellt sich die Frage, ob die Union nach drei Vorsitzenden binnen vier Jahren wieder absehbare Kontinuität und einen gründlichen Neuaufbau bevorzugt. Also mit einer Persönlichkeit, die – anders als Merz – bei der nächsten Bundestagswahl nicht schon 69 Jahre alt sein wird.
Es würde nicht verwundern, wenn in der Riege der jüngeren Ministerpräsidenten auch Gespräche liefen mit dem Ziel, eine Person nach vorne zu schieben, die bislang wenig beachtet wird. Tobias Hans im Saarland, Daniel Günther in Schleswig-Holstein und nun auch Hendrik Wüst in NRW müssen ein eigenes Interesse daran haben, dass ihre Partei schnell in ruhigeres Fahrwasser kommt. Alle drei haben 2022 Landtagswahlen zu bestreiten. Rückenwind von der Bundespartei täte da zur Abwechslung mal gut.